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Aus: Ausgabe vom 28.02.2025, Seite 14 / Medien
BBC-Doku über Krieg in Gaza

Kind in Sippenhaftung

BBC löscht nach Kritik Doku über Folgen des Gazakriegs für Heranwachsende. Reporter in akuter Lebensgefahr
Von Carmela Negrete
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Alltag in Gaza: Fünf Journalisten starben in einem TV-Übertragungswagen durch einen israelischen Luftangriff (26.12.2024)

Der britische Sender BBC hat einen Dokumentarfilm über Kinder im vom Krieg der israelischen Armee heimgesuchten Gazastreifen aus seinem Onlineangebot genommen. Unter dem Titel »Gaza: How to Survive a Warzone« war der Film am 17. Februar ausgestrahlt worden und zunächst weiterhin auf der Webseite des Senders abrufbar. In dem Film konnte man das Schicksal von Kindern verfolgen, für die es zur Routine geworden ist, zwischen Bomben, Toten, Hunger, Körperteilen und Zerstörung ihr Leben zu bewältigen.

»Das Leben von vier jungen Menschen wird begleitet, die versuchen, den Israel-Hamas-Krieg zu überleben, während sie auf einen Waffenstillstand hoffen – ein lebendiger und schonungsloser Blick auf das Leben in einer Kriegszone«, . »Israel erlaubt ausländischen Journalisten nicht, unabhängig aus Gaza zu berichten«, gibt der Sender weiter zu Protokoll. Deshalb sollen zwei Produzenten des Senders in London neun Monate lang zwei Kameraleute aus der Ferne beauftragt haben, »um Zugang zu wichtigen Orten zu erhalten, die für die ausländische Presse nicht zugänglich sind«. Der Film gibt einen Einblick in den Alltag in der sogenannten sicheren Zone und zeigt unter anderem, wie wenig Zeit den Menschen immer wieder für die Flucht vor einem Angriff gegeben wurde.

Die Handlung in Kürze: Die Familie von Zacharias lebt von der Hand in den Mund. Der 11jährige schließt sich immer wieder einem Rettungsdienst des einzigen funktionierenden Krankenhauses, Al-Aksa, an und hilft, Leichen und Körperteile zu transportieren. Ab und zu bekommt der Junge vom Klinikpersonal etwas Essen für sich und seine Familie zugesteckt. Das sei keine Tätigkeit für einen Jungen seines Alters, doch er komme immer wieder, weil er von der Welt der Krankenhäuser und der Rettung von Leben fasziniert sei, erklären die hauptamtlichen Retter.

Nach der Ausstrahlung der 60minütigen Sendung wurde bekannt, dass einer der Protagonisten, der 13jährige Abdullah Al-Jazouri, der Sohn des stellvertretenden Landwirtschaftsministers der Hamas sein soll, die auch im Vereinigten Königreich als terroristische Organisation eingestuft wird. Die BBC entschuldigte sich »für das Fehlen dieses Details« im Fernsehbeitrag, wie es in einer Erklärung hieß. Doch das reichte wohl nicht: Ein von 45 Prominenten unterzeichneter Brief forderte drastischere Konsequenzen: »Angesichts der Schwere der Bedenken sollte die BBC sofort alle Wiederholungen des Programms aussetzen, es aus der Mediathek entfernen und alle Social-Media-Clips des Programms löschen«, heißt es in dem Schreiben.

Zunächst veröffentlichte die BBC daraufhin eine Notiz neben dem Video. Dazu schrieben die Senderverantwortlichen: »Der Film bleibt eine eindrucksvolle Sicht aus den Augen eines Kindes auf die verheerenden Folgen des Krieges in Gaza, den wir als ein unschätzbares Zeugnis ihrer Erfahrungen ansehen, und wir müssen unser Versprechen auf Transparenz einhalten.« Schließlich wurde der Druck aber wohl doch zu groß – der Sender entfernte den Beitrag aus der Mediathek.

Im Video wurden seltene Einblicke gezeigt, auch von anderen Kindern, wie einem jungen Mädchen, das während des Krieges zu einer Influencerin in Gaza geworden ist und von dem man in den westlichen Medien so gut wie nichts gehört hat. Sie veröffentlicht in ihren Social-Media-Videos Rezepte, die sie aus den wenigen Lebensmitteln, die sie beschaffen kann, kreiert – und macht fortwährend Witze über Leben und Tod.

Der Grund, warum Journalisten ihre und die Geschichten von Tausenden anderen Kindern, die in diesem Krieg gestorben sind, verstümmelt wurden oder im Chaos leben, nicht erzählen können, ist die Zensur des israelischen Regimes. Internationale Organisationen fordern immer wieder einen freien Zugang der Medien zur Kriegsregion, Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisierte die »israelische Nachrichtenblockade« zuletzt im Dezember vergangenen Jahres. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden demnach in Gaza über 140 Medienschaffende durch Angriffe der israelischen Armee getötet. RSF zitierte dazu einen Journalisten aus Nordgaza, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollte. Er erklärte: »Ich bekomme Angst, sobald ich anfange zu filmen.«

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