Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 05.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Rüstungswahnsinn

Aufschwung dank Aufrüstung?

Waffenproduktion soll laut Wirtschaftsinstitut IfW Kiel die Ökonomie in Gang bringen
Von Jörg Kronauer
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Bewaffnete Grenadiere auf einem Bundeswehr-Gelände (Munster, 11.7.2022)

Die Idee geisterte schon im vergangenen Jahr durch die Bundesrepublik: Wenn man richtig heftig aufrüstet – kann man das dann nicht als Konjunkturprogramm verkaufen, das lediglich Schwung in die lahmende deutsche Wirtschaft bringen soll? Bereits im Frühjahr 2024 wurde mit solchen Äußerungen etwa der Präsident des IfW Kiel, Institut für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, zitiert. Auf ihn berief sich im Herbst 2024 der einstige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags und gegenwärtige Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels (SPD), als er dafür warb, die Waffenproduktion dramatisch auszuweiten und dabei auch zivile Produktion in militärische umzuwandeln – Rüstungskonversion, »nur andersherum«, schrieb er damals in der Tageszeitung Die Welt. Dadurch ließe sich doch sicherlich ein kleiner Wachstumsschub erzeugen: Aufschwung dank Rüstung!

Aktuell wird dies erneut propagiert – in Form einer Studie des IfW, die kürzlich unter dem Titel »Guns and Growth« veröffentlicht wurde. Wenn man, wie es manche ja forderten, die Militärhaushalte der EU-Staaten von zur Zeit knapp zwei Prozent auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhe, dann müsse man dafür zusätzlich 300 Milliarden Euro jährlich aufwenden, heißt es in der Studie. Doch könne man damit ein zusätzliches Wachstum von 0,9 bis 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erzeugen; man hole also die Ausgaben beinahe wieder rein. Die EU dürfe ganz nach Lust und Laune aufrüsten, ohne sich dabei »von der Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe ablenken zu lassen«, ließ sich der Autor der Studie, der Ökonom Ethan Ilzetzki von der London School of Economics, zitieren.

Rüstung als Wachstumsmotor? Nein, das sei keine gute Idee, hatten schon im September 2024 Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung und Torben Schütz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in der Zeitschrift Capital geschrieben. Ihre Einschätzung war bemerkenswert: Beide sind Militärexperten und einer starken Aufrüstung prinzipiell zugetan. Dennoch stellten sie fest, Rüstung sei, wolle man die Wirtschaft fördern, »eine vergleichsweise schlechte Investition« – »Investitionen in Bildung oder Infrastruktur« brächten »viel höhere Effekte«. Außerdem müsse man, wenn man auf Teufel komm raus neue Waffen kaufen wolle, das Geld für Rüstungsgüter ausgeben, die gerade erhältlich seien, und nicht dafür, »was militärisch gebraucht wird«. Die Verquickung von Wachstumsförderung und Rüstung ergebe also wenig Sinn.

Es kommt hinzu: Die IfW-Studie geht von der Voraussetzung aus, dass die 300 Milliarden Euro pro Jahr nicht für irgendwelche Waffen ausgegeben werden, sondern ganz überwiegend für solche, die in Europa produziert werden. Nur: Aktuell werden, weil die einheimische Rüstungsindustrie nicht alles herstellt, was beschafft werden soll, mehr als drei Viertel aller europäischen Rüstungskäufe außerhalb Europas getätigt. Will man das ändern, dann muss man – nur ein Beispiel – entweder veraltete »Eurofighter« kaufen oder warten, bis die deutsch-französischen Kampfjets der sechsten Generation (Future Combat Air System, FCAS) fertig sind. Das ist nach offiziellen Angaben 2040, bei Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten (Deutschland-Tempo und ähnliches) jedoch wohl kaum vor 2050 der Fall. Will man nicht so lange warten, dann fließen die Rüstungsausgaben weiterhin in die Vereinigten Staaten – und es wird nichts mit dem kleinen Wachstumsschub.

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