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Aus: Ausgabe vom 06.03.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Arbeitskampf international

Busse bleiben im Depot

Österreich: Gewerkschaft organisiert landesweite Warnstreiks wegen ergebnisloser Kollektivverhandlungen. Unternehmer schüchtern Fahrer ein
Von Dieter Reinisch
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Ein Aufzug für den Ausstand vor der Wiener Zentrale des privaten Busunternehmens »Dr. Richard« am 28. Februar 2025

Das war ein Novum: Busfahrerstreik in Österreich. Im Februar gingen sie nach vier gescheiterten Verhandlungsrunden zwischen Unternehmen und Gewerkschaften in den Ausstand – in der gesamten Republik kam es zu Warnstreiks.

Zuletzt sind die eher wenig kampfbereiten österreichischen Beschäftigten etwas munterer geworden. Die Kollektivverhandlungen im Herbst 2023 dauerten länger als üblich und wurden von temporären Arbeitsniederlegungen in der Metallindustrie und weiteren Branchen begleitet. Nicht nur für zahlreiche Kollegen war das ungewohnt. Auch die sozialpartnerschaftlich geübten Bosse mussten damit klarkommen, dass es nach Jahrzehnten wieder einmal zu härteren Verhandlungen gekommen war.

Für Recht auf Streik

Die Fahrer privater Busunternehmen streikten, »weil wir am Verhandlungsweg bisher gescheitert sind«, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Vida, Roman Hebenstreit, am vergangenen Freitag vor einigen Dutzend Protestlern vor dem Garagentor des größten eigentümergeführte Busunternehmens im deutschsprachigen Raum, Dr. Richard-Gruppe, im 20. Wiener Gemeindebezirk. Die Wütenden forderten ein »Recht auf Streik«, denn bei den Warnstreiks eine Woche zuvor war es »insbesondere in Wien zu Störungen und Einschüchterungen durch Führungskräfte« gekommen, »um die Beschäftigten vom Streiken abzubringen«, verlautbarte der Vida-Pressestab. Es sei ein »Grundrecht, die Arbeit verweigern zu können, um zu seinem Recht zu kommen«, wurde Hebenstreit in der Mitteilung zitiert.

Kein Zufall, dass die Gewerkschaft zum Protest bei Dr. Richard aufgerufen hatte. Denn die Unternehmensspitze hätte besonders stark auf Streikwillige einwirken wollen, so Hebenstreit im jW-Gespräch. »Wir erleben mehr und mehr Repressalien. Es gibt Menschen, die glauben, man kann das Streikrecht aushebeln.« Anfangs sei Vida von Einzelfällen ausgegangen, doch nach Umfragen unter den Mitgliedern zeichnet sich ein anderes Bild ab: »25 bis 30 Prozent der Lenker sagen uns, sie wurden bedroht, in der einen oder anderen Form, bis hin zu Druck, nicht an den Streiks teilzunehmen.« Diese Praxis hätte es laut Hebenstreit in mehr als einem halben Dutzend Betrieben gegeben. Vor allem im Großraum Wien: »40 Prozent der Lenker aus unterschiedlichen Betrieben berichten uns, in irgendeiner Form unter Druck gesetzt worden zu sein«, so der Vida-Vorsitzende weiter.

Dennoch sei die Stimmung unter der Belegschaft gut, weiß Hebenstreit. Zumal der Unmut immer größer werde. Die Situation sei mittlerweile so schlecht, »dass Buslenker darum kämpfen müssen, an ihren Wendepunkten überhaupt Sanitäranlagen benutzen zu können«. Oft würden Schichten bis zu 15 Stunden dauern.

Mitorganisiert wurde der Protest von Klimaaktivisten und dem Basisbündnis »Wir fahren gemeinsam«. Auch sie berichten, dass Unternehmen wie Dr. Richard und Blaguss enormen Druck ausgeübt hätten, sogar die Polizei sei gerufen worden: »Das ist ein Angriff auf das Streikrecht«, betonte Bündnissprecherin Eva Janschitz gegenüber jW. Durch die Solidarität der Aktivisten aus der Klimabewegung würden sich aber »viele Buslenker doch trauen, sich an den Arbeitskämpfen zu beteiligen – trotz der Einschüchterungen«, bemerkte Janschitz. Ein gewerkschaftlich engagierter Busfahrer sprach sogar von »Mafiamethode«, »wenn uns die Firma am Streiktag sagt, jeder, der streikt, kriegt die Kündigung«. In einer Mitteilung vom 27. Februar wies jedoch das erwähnte Busunternehmen »Dr. Richard« die »Falschaussagen der Gewerkschaft entschieden zurück«.

Wie geht es weiter? Am Mittwoch fand nach jW-Redaktionsschluss die fünfte Verhandlungsrunde für die rund 12.000 Beschäftigten im Kollektivvertrag für private Autobusunternehmen, darunter Unternehmen wie ÖBB-Postbus, Blaguss, Dr. Richard, Sabtours und Gschwindl, statt. Eine rasche Beilegung des Konflikts erwarteten weder Gewerkschafter noch Aktivisten, die mit jW sprachen. An einem echten und länger andauernden Streik würde dann kein Weg vorbeiführen, betonten sie unisono.

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