Fragwürdiges Manöver
Von Philip Tassev
Am nächsten Donnerstag und am darauffolgenden Dienstag wird der alte Bundestag zu zwei Sondersitzungen zusammenkommen. In der ersten Sitzung am 13. März soll über die von CDU/CSU und SPD geplanten Änderungen des Grundgesetzes in bezug auf die »Schuldenbremse« und die milliardenschwere Neuverschuldung für Aufrüstungszwecke – Stichwort: »Sondervermögen« – beraten, in der zweiten Sitzung am 18. März dann darüber abgestimmt werden. Auf diesen Zeitplan hat sich laut Reuters der parlamentarische Ältestenrat am Donnerstag verständigt. Nach dem BRD-Grundgesetz kann eine Sondersitzung auf Antrag eines Drittels der Abgeordneten einberufen werden – SPD und Union verfügen im alten, dem 20. Bundestag zusammen über 403 von 733 Sitzen.
Die Mehrheitsverhältnisse sind auch der Grund für dieses formell zwar legale, aber selbst von einem bürgerlich-demokratischen Standpunkt aus doch recht fragwürdige Manöver. SPD und Union hatten sich am Dienstag auf neue Milliardenkredite für die »Kriegsertüchtigung« von Bundeswehr und Infrastruktur verständigt. Um die größte Neuverschuldung in der bundesdeutschen Geschichte gesetzlich abzusichern, ist eine Änderung des Grundgesetzes nötig. Dafür braucht es allerdings im Parlament eine Zweidrittelmehrheit, die Union und SPD im neugewählten 21. Bundestag nicht haben. Gemeinsam kommen sie nur auf 328 von 630 Sitzen, fast 100 Stimmen weniger als die für eine Gesetzänderung benötigten 420. Selbst mit den Grünen fehlen noch sieben Stimmen. Linkspartei und AfD verfügen zusammen über eine Sperrminorität, mit der sie die Pläne zunichtemachen könnten.
Daher hoffen die Chefs von Union und SPD, mit ihrem Weg über den alten Bundestag die neuen Mehrheitsverhältnisse umgehen zu können. Aber auch dafür brauchen sie noch die Stimmen der Grünen-Abgeordneten. Deren Zustimmung sei aber noch »vollkommen offen«, sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, am Donnerstag im ZDF-»Morgenmagazin«. Zudem beklagte sie »Pöbeleien« besonders aus den Reihen der CSU gegen ihre Partei. Haßelmanns inhaltliche »Kritik« an den Plänen von Union und SPD bestand in der Feststellung, »Verteidigung« sei »mehr als Bundeswehr«: »Was ist mit den Nachrichtendiensten? Was ist mit der Cybersicherheit?«
Deutliche Worte kommen hingegen vom BSW: Das Vorhaben, die Bundeswehr mit neuen Schulden in Höhe von vielen hundert Milliarden hochzurüsten, bezeichnete Parteichefin Sahra Wagenknecht am Mittwoch als »das wahnwitzigste Aufrüstungspaket und den größten Wählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik«. Das Geld werde am Ende auch an das ukrainische Militär gehen, ist sich Wagenknecht sicher. »Diese Ausnahme von der Schuldenbremse ist ein faktischer Dauerauftrag des deutschen Steuerzahlers an die Aufrüstung der Ukraine.« Die angekündigten 500 Milliarden Euro für Infrastruktur seien nur ein »Feigenblatt für höhere Rüstungsausgaben«.
Das BSW verfügt zwar im alten Bundestag über lediglich zehn und im neu gewählten über gar keine Sitze mehr, ist aber in Thüringen und Brandenburg an den jeweiligen Landesregierungen beteiligt. Wagenknecht kündigte an, beide Bundesländer werden im Bundesrat dem Schuldenplan nicht zustimmen. »Da wir die Änderung zu den Militärausgaben ablehnen, werden die Länder sich mindestens enthalten«, sagte sie am Mittwoch dem Stern. Für Änderungen des Grundgesetzes ist auch im Bundesrat, der Versammlung der Bundesländer, eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Die Länder, in denen CDU, SPD und Grüne in unterschiedlichen Konstellationen regieren, kommen zusammen nur auf 41 der 69 Stimmen – fünf zu wenig. Eine mögliche Zustimmung zu dem geplanten »Sondervermögen« für Investitionen schloss Wagenknecht hingegen nicht aus, »wenn es ausschließlich zivile Investitionen sind«.
Die AfD prüft ihrem parlamentarischen Geschäftsführer Bernd Baumann zufolge den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Es sei fraglich, ob der 20. Bundestag in einer Entscheidung von solcher Reichweite noch legitim tätig werden könne, sagte Baumann am Mittwoch gegenüber dpa. Dabei sei der neue Bundestag längst gewählt, habe andere Mehrheiten, stünde aber vor vollendeten Tatsachen und könnte »am gigantischen Verschuldungsrahmen« der neuen Regierung nichts mehr ändern. »Er wäre entmachtet. Deshalb prüfen wir eine Klage.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (7. März 2025 um 12:09 Uhr)Es war ein taktisch kluger Schachzug von Merz, die geplanten Kriegskredite mit der Ankündigung einer mindestens ebenso großen Infrastrukturinitiative zu verbinden. Beide natürlich mit geborgtem Geld. Von dem jeder weiß, dass man es zum Schluss dreimal zurückzahlen muss: Einmal zur Tilgung und zweimal für die Zinsen. Das übersieht man aber leicht, wenn es da auch um die Verbesserung der Infrastruktur gehen soll. Na klar, was ist denn auch in Deutschland nicht marode? Wird alles auch im Krieg gebraucht, entweder militärisch oder zum zertöppern. Der Bürger aber denkt, die Rechten wollen ihm was schenken. Er bekäme etwas zurück von dem, was dieselben Leute ihm über Jahrzehnte vorenthalten haben. Und sagt begeistert ja, wo er doch entsetzt und laut »nein!« schreien müsste. Respekt, Herr Merz! Das muss man erst mal so hinkriegen.
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