»Sie wären als erste von der Wehrpflicht betroffen«
Interview: Hendrik Pachinger, Nürnberg
Ihre Schule, das Johannes-Scharrer-Gymnasium in Nürnberg, hatte Ende Februar Besuch von der Bundeswehr. Weswegen waren die Soldaten gekommen?
Die Bundeswehr hatte, wie schon so oft, das Ziel, den Schülern ihre attraktiven Berufsmöglichkeiten zu präsentieren, sowie sich in ein positives Licht zu stellen. Diese Besuche sind Teil ihrer Rekrutierungsstrategie, um potentielle Nachwuchskräfte für den Dienst zu gewinnen. Dass dieser Besuch bevorstand, wurde den Schülern der 12. Klassen nur knapp zwei Wochen im Voraus offiziell angekündigt. Selbst auf direkte Anfrage bei Lehrkräften wurde nur ein grober Zeitraum genannt. Zusätzlich zu ihren regulären Werbemaßnahmen wurden den Schülern des Scharrer-Gymnasiums die Ehre zuteil, dass die Bundeswehr von einem Kamerateam vom Franken-Fernsehen begleitet wurde und die Schüler sogar direkt interviewt wurden.
Ziel solcher Besuche ist es, neben dem Umgarnen potentieller Rekruten, die Bundeswehr im Alltag zu normalisieren. Verstärkte Versuche, die Bevölkerung an Flecktarn in Krankenhäusern, Schulen und Universitäten zu gewöhnen, gab es schon während der Coronakrise. War dies der erste Bundeswehr-Besuch an der Schule?
Sicherlich nicht der allererste, aber zumindest der erste in diesem Schuljahr. Wir starteten bereits vor mehreren Monaten unsere Kampagne »Wir machen nicht mit! Gegen Wehrpflicht und Militarisierung!«. Dieser Protest war aber dennoch ein Meilenstein in unserer Kampagne: Zum ersten Mal kamen Schüler direkt auf uns zu, um mit uns gemeinsam Aktionen zu planen. Es war sehr motivierend, zu sehen, dass Jugendliche gegen Militarisierung tatsächlich aufstehen und aktiv werden.
Wie sah dieser gemeinsame Protest aus?
Unsere Aktion an diesem Tag sollte aus verschiedenen Teilen bestehen, konkrete Kritik und unseren Unmut zu zeigen. So erschienen bereits am Abend zuvor verschiedene Transparente mit Kritik um das Scharrer-Gymnasium herum. Der Protest setzte sich am nächsten Tag fort, als während des Unterrichts Flugblätter in den Fluren verteilt und Plakate aufgehängt wurden. Besonders präsent war das Flugblatt, auf dem Fragen standen, welche der Bundeswehr konkret gestellt werden können, um die Offiziere in Verlegenheit zu bringen. Zeitgleich erschien auf der Dachterrasse mit Sicht auf den Pausenhof ein großes Banner, das gut lesbar für die Schüler und Lehrkräfte erneut Kritik an der Bundeswehr äußerte. Dort war zu lesen: »Die Reichen wollen Krieg, die Jugend eine Zukunft! Macht mit und wehrt euch!«
Wie haben die Mitschüler und das Kollegium auf die Aktionen reagiert?
Selbstverständlich steht ein Teil der Schüler hinter der Militarisierung und auch der Bundeswehr. Dennoch haben unsere Aktionen bei vielen Interesse erzeugt, und es gab viele positive Rückmeldungen. Auch die Lehrkräfte waren geteilter Meinung: Einige fanden unsere Aktion gut und wichtig, andere nicht.
… und die Schulleitung?
Von der haben wir keine Reaktion mitbekommen. Fakt ist aber, dass später eine Polizeistreife zur Schule kam. Vermutlich hatte die Schulleitung sie verständigt. Wir fanden es auf jeden Fall gut, so für eine Polarisierung zu sorgen und einen Bundeswehr-Besuch an einer Schule, der für viele selbstverständlich ist, in Frage zu stellen.
Wie gingen die Soldaten mit den Aktionen um?
Die Werbeoffiziere haben ihre Propaganda vorgetragen, ohne sich von unserem Protest weiter stören zu lassen. Sie sind allerdings auch dafür geschult und ausgebildet, das ist also kein Wunder. Dass es Protest gab, haben sie mitbekommen. Und dass dieser Protest Schüler abgeholt hat, ebenfalls. Das ist ja auch unser Ziel: die Schüler zu erreichen, um gemeinsam mit ihnen gegen Militarisierung und Wehrpflicht zu kämpfen. Sie wären schließlich auch die ersten, die von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht betroffen wären.
Dominik Mauser ist Sprecher der Jugendgruppe »Revolutionäre Zukunft Nürnberg«
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