TVöD – für alle an der Spree!
Von Niki Uhlmann
»You gotta fight for your right to party«, tönt es von den Beastie Boys aus dem Lautsprecherwagen. Darauf folgt ein wütendes Pfeifkonzert, als der Wagen vor dem Kurt-Schumacher-Haus der SPD zum Stillstand kommt. Die Sonne lässt die gelben Westen der rund 1.500 Streikenden leuchten. Warum sie hier demonstrieren, verdeutlicht ein Hochbanner: »Kaputt + Pleite«, daneben ein trauriges Strichmännchen und eine leere Batterie. Gemeint ist der öffentliche Dienst, konkret der Gesundheitssektor, der nicht nur von den Sozialdemokraten stiefmütterlich betreut wird.
Am Donnerstag hat der Branchenstreiktag der Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen von Bund und Kommunen stattgefunden. Aufgerufen hatte Verdi, nachdem auch die zweite Verhandlungsrunde über einen neuen Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD) Mitte Februar ergebnislos geblieben war. Mit Pflegekräften, Rettungsdienstlern und nichtmedizinischem, aber ebenso systemrelevantem Personal haben laut der Gewerkschaft am Donnerstag 20.000 Beschäftigte gestreikt. Für den gesamten öffentlichen Dienst werden acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Auszubildende sollen 200 Euro mehr und Übernahmegarantie erhalten. Im Gesundheitssektor werden zudem Schichtzulagen und Begrenzungen der Höchstarbeitszeit gefordert.
Ein Angebot der Kapitalseite steht indes noch immer aus. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) begnügte sich bislang damit, die Warnstreiks als »völlig überzogen« zu kritisieren. VKA-Präsidentin Karin Welge mahnte wegen der »historischen Verschuldung« zur Bescheidenheit, erkannte aber immerhin die »chronische Unterfinanzierung« an. Auf Nachfrage teilte die Pressestelle mit, der VKA müsse alle Forderungen »mit größter Sorgfalt« prüfen, bevor er ein Angebot machen könne. »Jährliche Mehrkosten von fast 15 Milliarden Euro« seien schlicht »nicht tragfähig«.
»Das ist doch Arbeitsverweigerung«, lautete die Kritik auf der Streikkundgebung. Schlimmer noch: Der VKA wolle eine Nullrunde. Würden die Streikenden derart mauern, wäre sofort Stress mit der Chefetage angesagt, kommentierte Verdi-Fachbereichsleiterin Gisela Neunhöffer. Folgerichtig stresse man jetzt zurück. Im drittreichsten Staat der Welt könne keiner behaupten, es mangele an Geld, während stetig von unten nach oben umverteilt würde. Wer »39 Stunden arbeiten geht und sich trotzdem keine Wohnung in Berlin leisten kann«, sei arm. Ihre Kollegin sprach zudem von einem »Profit auf dem Rücken der Verletzlichsten in unserer Gesellschaft, unseren Patientinnen, Alten, Kindern«. Frage man letztere, heiße es immer dankbar, die Pflegenden seien unbezahlbar. »Zwischen unbezahlbar und dem, was wir tatsächlich bekommen, liegen Welten!«
Das spüren besonders die Outgesourcten und Auszubildenden. 2005 habe der Senat alle nichtmedizinischen Dienstleistungen des Berliner Gesundheitssektors in die Charité Facility Management GmbH ausgegliedert, um außertariflich bezahlte Beschäftigte zweiter Klasse zu schaffen, sagt Sascha Kraft gegenüber jW. Jene, die im Krankenhaus Essen zubereiten oder Akten sortieren, müssten aber regulär nach TVöD bezahlt werden. Seit 2016 stehe das in den Koalitionsverträgen, geschehen sei nichts. Da man sich weder länger hinhalten lassen wolle, noch als »Sparschwein des Senats« über die Runden käme, stiegen nun die Mitgliederzahlen, habe man »Lust zu streiken«. So geht es auch Leonie und Auguste. Die beiden Azubis erklärten in einer Rede, wie viel Spaß ihnen ihr Beruf mache. Nur reiche ihre Vergütung nicht aus. Wer kein Geld vom Elternhaus erhalte, müsse trotz 40-Stunden-Woche einen Nebenjob annehmen und könne kaum lernen, erzählen sie jW. Kapitalseite und Politik übergingen diesen Missstand geflissentlich: »Geht streiken. Organisiert euch und akzeptiert es nicht, dass ihr auf Station wie Dreck behandelt werdet.«
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