»Die Jugendoffiziere verstoßen dagegen«
Interview: Annuschka Eckhardt
Die Regierung in Bayern will per Gesetz die Militarisierung an Schulen und Hochschulen forcieren. Wie blicken Sie als aktiver Gewerkschafter in NRW auf den Vorgang?
Das Bundeswehrgesetz könnte eine Blaupause für ähnliche Vorhaben in anderen Bundesländern sein, weshalb der Widerstand dagegen sich nicht auf Bayern beschränken darf. Die Kolleginnen und Kollegen dort haben klar Stellung gegen das Bundeswehrgesetz bezogen und gehen in die juristische Auseinandersetzung. Parallel dazu muss durch Widerstand an den Schulen, auf der Straße und in den demokratischen Bewegungen Druck aufgebaut werden. Hier in NRW spricht sich die Junge GEW explizit gegen die Kooperationsvereinbarung von 2012 zwischen Bildungsministerium und Bundeswehr aus.
Wie nehmen Sie als angehender Lehrer die Militarisierung im Bildungswesen wahr?
Lese ich Artikel 3 der Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen, dann ist mir unklar, wie das mit der Friedensgesinnung, mit der Liebe zur Völkergemeinschaft funktionieren soll, wenn Bundeswehrjugendoffiziere im Klassenzimmer unwidersprochen Krieg als Lösung für internationale Konflikte anpreisen dürfen. Oder wenn Bundeswehrgesetze wie das in Bayern durchgedrückt werden und man Kolleginnen und Kollegen einschüchtert, die sich kritisch zu dieser Entwicklung äußern.
Die politischen Berufsverbote, wie sie Luca S. in Hessen oder Lisa Poettinger in Bayern erfahren haben, wirken sich sicherlich auch auf die Stimmung in den Lehrerzimmern aus. Da überlegt sich der ein oder andere zweimal, ob er sich überhaupt noch zum Leben außerhalb der Schule äußert. Jahrelang wurde den Kolleginnen und Kollegen eingebleut, der Beutelsbacher Konsens verpflichte sie zur Neutralität im Klassenzimmer. Das stimmt aber nicht. Das Überwältigungsverbot besagt nicht, dass man keine Stellung beziehen darf. Bundeswehrjugendoffiziere in Klassenzimmern verstoßen vielmehr selbst dagegen.
Welche spürbaren Auswirkungen hat das noch?
Das äußert sich auch im immer krasseren Zugriff der Bildungsministerien auf politische Diskussionen an der Schule. Eine Kollegin berichtete von der Weisung an Vertrauenslehrerinnen und -lehrer, sie sollten Schülervertretungen zu Kuchenverkäufen für die Ukraine motivieren. Aber auch die Regelungen rund um die Solidarität mit Palästina schüchtern merklich ein. Das berichteten auch Kolleginnen im Umfeld des Gegen-Wehr-Kongresses. Die Diskrepanz zwischen dem, was in der Schule vermittelt wird, und dem, was alle außerhalb der Schule klar sehen – zum Beispiel die Brutalität des israelischen Militärs gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern – sorgt auch für Unmut. Daraus können allerdings auch demokratische Teilhabe und der Mut hervorgehen, sich nicht alles gefallen zu lassen.
Jenen Kongress in Köln hatten Sie mitorganisiert. Worum ging es dabei?
Am 8. Februar an der Universität zu Köln war das Ziel, mit den rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein Zeichen gegen die fortschreitende Militarisierung zu setzen. Mit Referentinnen wie Martina Schmerr aus dem Organisationsbereich Schule der GEW, Joachim Schramm von der Deutschen Friedensgesellschaft und dem Bündnis »Schule ohne Bundeswehr« sowie Elias Bala aus dem Vorstand der Landesschüler*innenvertretung NRW, einem Vertreter des bundesweiten Jugendbündnisses gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder auch Eva Caspers von der GEW Köln konnten wir aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema der Militarisierung der Schulen blicken.
Welche Forderungen schafften es in die Abschlussresolution?
Wir formulierten ein klares Nein zur Wiedereinführung der Wehrpflicht. Auch die Forderung nach einem 100-Milliarden-Sondervermögen für Bildung statt für die Bundeswehr findet sich darin. Weiter heißt es: »in Zukunft gemeinsam aktiv werden, vor Ort, in der Schule, der Hochschule und auf der Straße! Wir wollen keine Militarisierung der Bildung – Bundeswehr raus aus den Schulen!«
Max Meurer ist angehender Lehrer in Nordrhein-Westfalen und aktiv in der Jugendvereinigung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Junge GEW)
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