Dein roter Faden in wirren Zeiten
Gegründet 1947 Montag, 10. März 2025, Nr. 58
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Dein roter Faden in wirren Zeiten Dein roter Faden in wirren Zeiten
Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 07.03.2025, Seite 16 / Sport
Beim Fananwalt

Gästeblock

Von René Lau
Der Fananwalt_Logo ONLINE.jpg

Als Fußballfan liebt man das eigene Stadion. Von manchem sogar als Wohnzimmer bezeichnet, ist es der Ort, an dem der Fan den Fußball lieben lernt, auf den Stehplätzen erwachsen wird und die Vereinsfarben verinnerlicht. Aber mit dem Alter lernt jeder Fan, dass es noch mehr Salz in der Suppe gibt. Der jeweilige Stadtrivale wird kritisch beäugt, und es dauert nicht lange, bis er zum Feind wird. Und so ist es selbstverständlich, dass man die eigenen Farben auch auswärts beim Derby präsentieren will. Nichts ist süßer als ein Sieg beim Feind im Derby. Ist eine Saison schon mal gelaufen und der Verein fernab des Erreichens aller sportlichen Ziele, kann ein Sieg im Derby, insbesondere auswärts, die Saison noch retten.

Derbys gibt es hierzulande reichlich. Ob im Ruhrgebiet, in Leipzig, Berlin oder Hamburg. Überall knistert es, wenn eines ansteht. Ein Spiel aber steht derzeit besonders im Mittelpunkt. Am Sonntag trifft Hannover 96 in der Landeshauptstadt zum 182. Mal auf den Rivalen aus Braunschweig. Kaum ein Derby hat in letzter Zeit so sehr die Politik beschäftigt. Daniela Behrens (SPD), ihres Zeichens Innenministerin von Niedersachen, meint hier in Spielgestaltung und Fankultur eingreifen zu müssen und die Zehnprozentregel außer Kraft zu setzen, wonach zehn Prozent der Stadionkapazität für Gästekarten reserviert sein sollen. Zum wiederholten Male schreibt die Innenministerin über die Polizeidirektion Hannover behördlich mit Verfügung vor, dass der Gästeblock im Niedersachsenstadion nur zu 60 Prozent ausgelastet werden darf. Ähnliches gab es schon beim Hinspiel in Braunschweig. Ein derartiges Eingreifen in eine Sportveranstaltung durch die Politik ist selten und stellt letztlich nichts anderes dar als einen Eingriff in die Fankultur und den sportlichen Wettbewerb. Darüber hinaus ist es eine Kollektivstrafe, die unserem Rechtssystem fremd ist. Aus diesem Grund rief die Fanszene aus der Löwenstadt zum Boykott des Auswärtsspiels auf.

Diese Verfügung zeigt auch die Hilflosigkeit der Politik, die offensichtlich nur noch verbieten kann. Gespräche und Deeskalation sind nicht die Stärke von Frau Behrens, worauf auch die Fans der Eintracht auf ihrer Demonstration für Fankultur vor einer Woche in Hannover hingewiesen haben.

Bei allen Bedenken der Sicherheitsfanatiker: Dieser Weg darf nicht eingeschlagen werden. Nur Gespräche auf Augenhöhe mit Vereinen und Fans können die Lösung sein. Niemand von uns soll und darf sich an leere Gästeblöcke gewöhnen.

»Sport frei!« vom Fananwalt.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.