Digitale Monopole
Von Sebastian Edinger
Risikokapitalgeber (Venture Capital, VC) in den USA haben im laufenden Quartal bereits 30 Milliarden US-Dollar in Firmen für künstliche Intelligenz (KI) gepumpt, heißt es in einer Untersuchung der Finanzmarktexperten des Datendienstleisters Pitchbook. Weitere 50 Milliarden seien in Vorbereitung. Angeheizt durch die unter dem Label »Stargate« angekündigten Großinvestitionen der US-Regierung in KI-Infrastruktur sowie den Deep Seek-Durchbruch in China komme es derzeit zu den größten Investitionen in künstliche Intelligenz seit dem Markthoch 2021. Damals flossen über das Gesamtjahr 358 Milliarden US-Dollar von VC-Firmen in den US-amerikanischen Techsektor. 2025 könnte ein neues Rekordjahr werden.
Wie Financial Times am Montag berichtete, profitierten vom Boom vor vier Jahren vor allem Startups. Die Möglichkeiten, mit KI gigantische Renditen zu erzielen, wurden als schier grenzenlos eingeschätzt, überall wurden glänzende Geschäftsideen ausgemacht. Bald zeigte sich jedoch, dass viele Bewertungen, die eine rasante Vervielfachung der Werte junger KI-Firmen erwarteten, unrealistisch waren. Viel Kapital wurde vernichtet und um den KI-Sektor ist es erst mal ruhiger geworden. Um nun, in der nächsten Euphoriewelle besser abzuschneiden, setzen die Kapitalgeber augenscheinlich lieber auf etablierte Techriesen als auf freche und dynamische Startups. Das zeichnete sich bereits im vierten Quartal des letzten Jahres ab, als ebenfalls schon knapp 80 Milliarden in den Sektor flossen, jedoch 40 Prozent davon in lediglich sechs große Deals.
»Wenn du Open AI oder Anduril bist – also eine bekannte Marke mit hohem Wachstum –, dann bist du in einer sehr guten Position. Das Geld ist für dich da«, kommentierte Kyle Stanford, Forschungsleiter bei Pitchbook, gegenüber Financial Times die Marktlage. Allerdings: »Wenn du auf der anderen Seite stehst wie die meisten Unternehmen, dann ist das Geld nicht da.« Stanford glaubt, dass im laufenden Quartal letztlich 80 Milliarden US-Dollar für KI-Firmen aufgebracht werden. »Aber 40 Milliarden davon entfallen auf nur eine einzige Finanzierungsrunde.« Eine derartige habe er noch nie erlebt, selbst die größten Ausreißer 2021 seien im Vergleich dazu winzig gewesen.
Diesen neuen Trend hin zu vermeintlich risikoärmeren Investments in etablierte Techkonzerne entstand als Konsequenz aus den damaligen Verlusten vor allem großer VC-Firmen wie Thrive Capital, General Catalyst oder Lightspeed Venture Partners. Stanford spricht hier angesichts der neuen Risikoaversion von »Pseudo-VCs«. Doch kann deren Strategie funktionieren? Laut dem VC-Experten und Buchautor Sebastian Mallaby ist bei etablierten Techkonzernen zwar die Gefahr eines Scheiterns geringer als bei einem jungen Startup. Gleiches gelte jedoch auch für die Wahrscheinlichkeit, dass diese ihren Wert in kürzester Zeit verzehn- oder verhundertfachen.
Viele Fondsmanager seien jedoch überzeugt, dass selbst die teuersten KI-Firmen mit den bekanntesten Namen sich noch um das Zehnfache skalieren lassen. Sie hielten sich für Genies, weil sie dort investieren und seien bereit, gigantische Summen in die Hand zu nehmen. Entsprechend groß ist die Gefahr, erneut auf die Nase zu fallen, wenn die Unternehmen sich doch nicht so rasant entwickeln, wie erhofft. Mallaby: »Die Gewohnheiten, die im Frühphaseninvesting gut funktioniert haben, müssen angepasst werden, wenn es um viel größere Finanzierungsrunden geht.« Nach einer solchen Anpassung sieht es jedoch erst mal nicht aus.
Derweil droht die Konzentration der großen Investments auf Big Tech die monopolkapitalistischen Tendenzen in der Digitalökonomie weiter zu verschärfen. Für kleine Wettbewerber wird es immer schwieriger, an frisches Geld zu kommen. Big Tech baut seinen Vorsprung aus, verleibt sich die profitablen unter den Kleinen mit den zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen ein und verdrängt den Rest vom Markt. Ähnlich wie schon bei der Plattformwirtschaft zeichnet sich auch bei künstlicher Intelligenz die unüberwindbare Vorherrschaft einer Handvoll großer US-Konzerne ab.
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