Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 12.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Spaniens Linke

Opposition aus der Regierung

Spaniens Regierung will die Ausgaben für das Militär verdoppeln. Besser gesagt, nur ein Teil, ein anderer demonstriert dagegen
Von Carmela Negrete
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In Spanien besteht noch immer eine virulente Anti-NATO-Stimmung (Proteste gegen das Kriegsbündnis in Madrid, 26.6.2022)

Es ist nicht gerade gewöhnlich, dass eine Koalitionsregierung Maßnahmen verkündet, und ein Teil von ihr beschließt, dagegen zu protestieren. Doch genau das ist derzeit in Spanien der Fall, wenn es um die Frage der Militarisierung und der Erhöhung der Heeresausgaben geht. Am vergangenen Freitag hat der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez angekündigt, dass Spanien das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP für Mittel der Verteidigung bereits vor 2029 erreichen und damit die von seiner Regierung gesetzte Frist verkürzen wolle.

»Sicherheit und Verteidigung der ­Ukraine bedeuten Sicherheit und Verteidigung Europas«, wiederholte Sánchez damit fast wortgleich die Phrasen und Argumente der meisten EU-Regierungen, die in der vergangenen Woche beschlossen haben aufzurüsten – bis Krieg ist. »Wir befinden uns in einer komplexen Situation, geprägt von großen Veränderungen in der Weltordnung«, sagte der Chef des PSOE, der bislang als Vertreter des linken Flügels seiner Partei galt.

»Aus mehreren Gründen, die ich den Spanierinnen und Spaniern gerne mitteilen möchte, werden Europa und Spanien die Ukraine weiterhin unterstützen«, verkündete Sánchez selbstsicher. Daraufhin sprach er vom Aggressor Putin und davon, dass die Ukraine »niemals ein Risiko für den Frieden, die Stabilität oder die Normalität in Russland« gewesen sei. Seine Rede machte den Spaniern endgültig klar, dass der Krieg nun auch Spaniens Alltag bestimmen wird: »Wir stehen vor einem Konflikt von globaler Dimension«, sagte der Regierungschef. Putin bedrohe ganz Europa.

Sánchez’ Koalitionspartner Sumar sieht das anders, wie genau, ist allerdings unklar. Das Wahlprojekt entpuppte sich schon kurz nach den Wahlen als Fiasko. Die Partei Podemos verließ das Bündnis schon kurze Zeit später, die Vereinigte Linke (IU), selbst ein Parteienbündnis mit der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) als stärkster Kraft, blieb – aus staatspolitischer Verantwortung. Sie verwies darauf, dass die Postfranquisten vom Partido Popular (PP) zusammen mit den extremen Rechten von Vox andernfalls an die Macht hätten gelangen können. Diese Gefahr besteht noch immer. Dabei entspricht die Politik von Sumar insbesondere in der Frage der Außenpolitik weder dem Programm von Podemos noch dem der IU. Yolanda Díaz, Chefin von Sumar und Vizepräsidentin, die aus der Kommunistischen Partei kommt, hat sich politisch und ideologisch den deutschen Grünen angenähert.

Bei Sumar weiß man allerdings, wie breit und immer noch relativ stark die Friedensbewegung in Spanien ist und auch, dass die beiden stärksten linken Organisationen IU und Podemos aus der NATO austreten wollen und auf keinen Fall eine Erhöhung der Rüstungsausgaben befürworten. Daher klingen die Ansagen von Díaz und Vertrauten entweder verhalten oder aber absurd. Sumar-Sprecherin Verónica Barbero erklärte beispielsweise am Sonnabend, dass das Bündnis bereit wäre, einer Erhöhung der Militärausgaben zuzustimmen, »wenn diese nicht für kriegerische Zwecke« genutzt würden. Das löste einen Shitstorm auf Social Media aus. Auch Pablo Bustinduy, Minister für soziale Rechte und Verbraucherschutz, blieb vage und schwammig und erklärte am Freitag, dass Aufrüstung »nicht der beste Weg scheint, um die Koordination einer europäischen Verteidigung voranzubringen«.

Die Vereinigte Linke hatte sich bisher entschieden gegen eine Erhöhung des Wehretats ausgesprochen. Deren Generalsekretär Antonio Maíllo erklärte bei einer Pressekonferenz, dass seine Formation mit solchen relativierenden Aussagen nicht einverstanden sei und kündigte eine Mobilisierung der IU-Basis an. »Die kriegerische Politik teilen wir überhaupt nicht«, sagte er und fügte hinzu, dass man eine Kampagne für den Frieden initiieren werde. Frieden erreiche man »weder mit mehr Geld für das Militär noch mit dem Entsenden von Truppen in Konfliktregionen«. Die IU werde »in allen Regionen des Landes eine Mobilisierung für den Frieden anstoßen«, eine Haltung, »die im Einklang mit der Mehrheit der spanischen Gesellschaft steht, die müde ist von dieser Kriegsspirale«. Die IU habe sich vor 39 Jahren infolge der Debatte über NATO-Mitgliedschaft Spaniens konstituiert, die NATO-kritische Haltung solle vertieft werden.

Auch kleinere Parteien wie die katalanischen Comuns sprechen sich gegen die Aufrüstung aus. »Die Alternative zur kriegerischen Rhetorik, die sich mit der Regierungsübernahme von Donald Trump und dessen Verbündeten in Europa verbreitet, ist nicht Aufrüstung«, kritisierte allerdings auch der Sumar-Abgeordnete Gerardo Pisarello am 4. Februar im Pressesaal des Parlaments. Er fügte hinzu: »Schon gar nicht unter den Bedingungen, wie sie derzeit vorgeschlagen werden, nämlich indem Sozialausgaben gekürzt werden.« Der Druck zeigte Wirkung. Am Dienstag hieß es, Sumar werde einer Erhöhung des Wehretats nicht zustimmen. Was das für Sumar selbst oder für die spanische Regierung insgesamt bedeuten wird, muss sich noch zeigen.

Die Partei Podemos, die bereits im Dezember 2023 aus der Wahlkoalition Sumar ausgestiegen war, kündigte ihren Widerstand gegen die Aufrüstungspläne an. Formell forderte sie den Austritt aus der NATO und brachte den Antrag ins Parlament ein, dass jede Erhöhung des Wehretats im Plenum diskutiert und abgestimmt werden müsse. Auch die IU übte Kritik an der NATO. Die Organisationssekretärin Eva García Sempere bezeichnete letzte Woche das Kriegsbündnis als eine »kriminelle Organisation«, die »Europa und der Welt mehr Instabilität und mehr Leid gebracht hat«, und sprach sich für die Schließung der US-Militärbasen in Spanien aus.

Yolanda Díaz wertete dagegen den Vorschlag, aus der NATO auszutreten, als überholte Idee aus einem anderen Jahrhundert, die nicht mehr zur heutigen Zeit passe. »Solche Debatten lassen sich weder mit Parolen aus dem 20. Jahrhundert noch mit bloßen Schlagworten lösen«, sagte sie. Statt dessen will sie wie der PSOE die »strategische Autonomie« sichern und Stärke zeigen, um »die Stimme der Demokratie und der Menschenrechte in der Welt zu verkörpern«. Díaz begründete das wie der Rest des Mainstream damit, dass »die USA unter Trump gezeigt haben, dass sie kein verlässlicher Partner sind«.

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