Aufstand georgischer Kumpel
Von Susann Witt-Stahl
Eine Stadt probt die Rebellion. Seit Ende Februar protestieren die Bergleute von Tschiatura in Zentralgeorgien mit breiter Unterstützung der Bevölkerung gegen ihre Aussperrung und die Einstellung von Ausgleichszahlungen. »Das demütigende Verhalten des Unternehmens lässt uns keine andere Wahl, als für unsere Würde zu kämpfen«, sagt Tariel Mikatsadze, einer der Anführer der Bergarbeiter, die sich zu der Initiative »Tschiatura Arbeiterunion« zusammengeschlossen haben – von den etablierten Gewerkschaften werden sie nicht unterstützt. Die Bergleute haben Blockposten eingerichtet. »Nicht ein Gramm Mangan oder Eisen, kein Werkzeug und Bauholz soll die Stadt verlassen«, so Mikatsadze weiter. »Das sind Produkte unserer Arbeit, und wir werden sie zukünftig brauchen.«
Der Hintergrund: Die Georgian Manganese LLC, das aufgrund seiner Arbeitsplätze wichtigste Unternehmen der Region mit Exklusivlizenz zur Manganerzförderung, hatte am 1. November 2024 alle Minen in Tschiatura vorläufig geschlossen. Den rund 3.500 betroffenen Bergarbeitern in der Stadt, die rund 12.000 Einwohner zählt, wurde eine Fortzahlung von 60 Prozent ihrer Löhne und eine Weiterfinanzierung ihrer Krankenversicherung zugesagt – Bedingungen, die viele Familien unter das Existenzminimum abrutschen ließen. Aber selbst die kärglichen Kompensationsleistungen bleiben mittlerweile aus, die Beschäftigten haben seit Januar keinen Georgischen Lari mehr gesehen. Schließlich informierte Georgian Manganese die Beschäftigten vergangene Woche via SMS über das endgültige Aus, während das Unternehmen einige Minen mit Billiglohnvertragspartnern unter erheblich schlechteren Arbeitsbedingungen weiterbetreibt.
Georgian Manganese – ein Tochterunternehmen von Georgian American Alloys, das von der Privat-Gruppe des für Korruption, Geldwäsche und viele andere Vergehen bekannten ukrainisch-israelischen Oligarchen Igor Kolomoiskij kontrolliert wird – ist berüchtigt wegen regelmäßiger Verstöße gegen Arbeits- und Umweltschutzvorschriften. Erst im Juni 2023 gab es einen großen Streik für Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen in Tschiatura. Bis zum Ersten Weltkrieg war es das größte Manganerzbergbauzentrum der Welt – in der Hand deutscher Konzerne, unter anderem der Friedrich Krupp AG, und traditionell eine Hochburg des Arbeiterkampfs in Georgien.
Gegenwärtig herrscht Ausnahmezustand in der Stadt. Vergangenes Wochenende stoppten die Bergleute Lastwagen der Unternehmen, die den Abbau von Minen und den Abtransport von Gütern organisieren. Die Lage spitzt sich auch dramatisch zu, weil den Arbeitern und ihren Familien die Lebensmittel ausgehen. »Die ganze Stadt hungert«, sagt Mikatsadze. Aber Verzweiflung ist Luxus, den sich die Menschen von Tschiatura nicht leisten können – sie müssen weiterkämpfen, bis ihre Kernziele erreicht sind: Verstaatlichung der Minen durch die Regierung des Georgischen Traums, Einrichtung eines Entwicklungsfonds für die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze und strikte Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen.
Der Solidaritätsfonds ist bald aufgebraucht, weil Lebensmittel für die Bevölkerung beschafft werden müssen. Daher wird jetzt dringend Unterstützung benötigt – vor allem in Form von Geldspenden. Tariel Mikatsadze richtet im Namen der Bergleute von Tschiatura einen dramatischen Appell an die internationale Arbeiterbewegung: »Wir brauchen den starken Arm von Genossen, damit wir in unserer Stadt einmal mehr unseren historischen Auftrag erfüllen und dem Kapitalismus das Rückgrat brechen können.« Um sich besser vernetzen und die Öffentlichkeit informieren zu können, bauen die Aufständischen auf Facebook derzeit unter dem Namen »Magharoeli« (Bergmann) eine eigene Internetmedienplattform auf.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Regio:
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Ungesunde Schrumpfkur
vom 13.03.2025