Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 18.03.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Klimawandel

Schwindende Eismassen

Bericht der US-Behörde NOAA bestätigt beunruhigende Entwicklungen bei polarem Eis und globaler Erwärmung
Von Wolfgang Pomrehn
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Nicht allein ein Problem der Robben: Schrumpfendes Eismeer

Dieser Tage erreicht das Eis auf dem Arktischen Ozean sein jährliches Maximum. Allerdings eines der kleinsten seit Menschengedenken. Hoch im Norden macht sich der Klimawandel besonders stark bemerkbar. Die Erwärmung ist dort mehr als dreimal so weit fortgeschritten wie im globalen Mittel – ein Trend, der in den nächsten Jahrzehnten weiter anhalten wird. Schon in den 2030ern könnte es nach Ansicht einiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein in den Sommermonaten eisfreies Polarmeer geben.

Ähnlich die Entwicklung rund um die Antarktis. Auch dort macht der Klimawandel dem Meereis zu schaffen. Auf der Südhalbkugel geht gerade der Sommer seinem Ende und die Eisdecke auf dem Meer ihrem alljährlichen Minimum entgegen. Die Eismasse fällt immer geringer aus. Entsprechend erreichte die globale Meereisdecke, also die Summe aus beiden Polregionen, im Februar den niedrigsten Stand seit dem Beginn der Satellitenmessungen in den 1970er Jahren. Das berichtet das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus in seinem neuesten Monatsreport.

Auch sonst ist es um das globale Klima schlecht bestellt. Der Februar war gemessen an den langjährigen Mittelwerten wieder viel zu warm. Mit 13,36 Grad Celsius lag er beachtliche 0,63 Grad Celsius über dem Mittelwert der Jahre 1991 bis 2020 und 1,59 Grad Celsius über dem Wert für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese wird, weil die Emissionen seinerzeit noch sehr niedrig waren und es die ersten Jahrzehnte sind, aus denen eine ausreichende Menge verlässlicher Daten vorliegt, üblicherweise als Referenz für das vorindustrielle Niveau genommen, von dem in den UN-Klimaschutz-verträgen die Rede ist.

Der vergangene Monat war nun schon der 19. von den vergangenen 20 Monaten, der dieses Niveau um mehr als 1,5 Grad Celsius übertraf. Diese oft zitierte 1,5-Grad-Celsius-Grenze soll nach der Pariser Klimaschutzvereinbarung möglichst nicht überschritten werden. Gemeint ist damit allerdings ein Mittelwert über mindestens 20 Jahre. Die Angaben haben einen Fehlerbereich von einigen Hundertstel Grad, daher weisen die Forscherinnen und Forscher des Copernicus-Programms darauf hin, dass andere Gruppen, die abweichende Datensätze und Berechnungs-methoden benutzen, zu leicht anderen Bewertungen kommen können.

RLP Rolf Becker 2025

Doch die Botschaft ist eindeutig und einhellig: Es wird rasch wärmer, und das 1,5-Grad-Ziel ist zunehmend gefährdet. Steigt die Erwärmung weiter, werden – das haben zahlreiche Studien der vergangenen 15 Jahre gezeigt – mit zunehmender Wahrscheinlichkeit bestimmte Kippunkte erreicht. Zum Beispiel könnten die Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland derart destabilisiert werden, dass ihr langfristiger Verlust nicht mehr aufzuhalten ist. Das Ergebnis wäre ein Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Dutzend Meter, verteilt über 1.000 Jahre oder mehr. Ein anderes Beispiel sind die für die Fischerei so wichtigen tropischen Korallenriffe, die schon jetzt oft in sehr schlechtem Zustand sind. Jenseits von 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung haben sie kaum eine Überlebenschance.

In diesem Zusammenhang sind es ausgesprochen schlechte Nachrichten, dass die Oberflächentemperatur der Meere sich ebenfalls auf Rekordniveau bewegt. Gemittelt über alle Meere zwischen 60 Grad Süd und 60 Grad Nord betrug die Temperatur der Wasser-oberfläche im Februar 20,88 Grad Celsius, heißt es bei Copernicus. Nur im vergangenen Jahr waren die Meere im Februar noch wärmer. Der diesjährige Februarwert liegt rund ein halbes Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1982 bis 2010. Da Wasser erheblich mehr Wärmeenergie aufnehmen kann als die Luft, ist das ein signifikanter Anstieg.

Derweil machen die hohen Temperaturen den Korallen zu schaffen, insbesondere, wenn sie längere Zeit über etwa 30 Grad Celsius liegen. Dann verschwinden die Algen, die mit den Korallentierchen in Symbiose leben, indem sie sie per Photosynthese mit Energie versorgen, aus den Riffen, die dadurch ausbleichen und meist groß-flächig absterben. Seit Anfang der 1990er Jahre wird aus allen tropischen Meeren zunehmend über derartige Ereignisse berichtet.

Vor knapp zwei Jahren hat die mit den Jahreszeiten leicht schwankende Oberflächentemperatur der Meere einen regelrechten Sprung nach oben gemacht. Im August 2023 wurde erstmals in der Geschichte der Satellitenbeobachtungen, aber zunächst nur kurzfristig, eine Temperatur von über 21 Grad Celsius gemessen, ein Wert, der auch seit Ende Februar wieder überschritten wird. Eine vergangene Woche im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie der Universität Bern spricht von einer Hitzewelle, die nur durch den von menschlichen Aktivitäten verursachten Klimawandel zu erklären ist.

Alle Angaben über die Meerestemperaturen beruhen übrigens, wenn nicht anders erwähnt, auf Daten, die von der US-Behörde für Ozeane und Atmosphären (NOAA, National Oceanic and Atmospheric Administration) frei zugänglich ins Netz gestellt werden. Bisher noch, muss man dazu sagen, denn die NOAA gerät unter zunehmenden Druck der neuen Regierung in Washington, der die Klimaforschung ein ausgesprochener Dorn im Auge ist. Mehrere hundert NOAA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind bereits entlassen worden, und viele weitere könnten noch ihren Job verlieren, darunter auch im Wetterdienst.

In diesem Zusammenhang wird in Elon Musks neuer Superbehörde DOGE, die alle US-Bundesbehörden durchkämmen soll, auch über die Schließung eines NOAA-Büros auf Hawaii nachgedacht, das für die Messungen auf dem Vulkan Mauna Loa zuständig ist. Dort wird seit 1958 nahezu ununterbrochen in 3.397 Meter Höhe über dem Meeresspiegel die CO2-Konzentration der Luft gemessen. Wegen der Höhe und der großen Ferne von Quellen und Senken gelten die Messungen als repräsentativ für die ganze Atmosphäre. Die dort gewonnene Zeitreihe ist die mit Abstand älteste ihrer Art und für die Klimaforschung von unschätzbarem Wert. Ihre Fortsetzung könnte nun gefährdet sein, weil die Trump-Regierung gerne 150.692 US-Dollar sparen möchte, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. März 2025 um 20:49 Uhr)
    Mit dem Ende der Messungen ist doch auch Schluss mit dem Klimawandel, oder?

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