Verfluchtes Wetter
Von Holger Römers
Die 83. Austragung von Paris–Nizza wurde dem Beinamen dieser prestigeträchtigen Radsportveranstaltung mal wieder nicht gerecht: Das »Rennen zur Sonne« war von nasser Kälte inklusive Schnee bestimmt, was am Mittwoch vorübergehend die Neutralisierung der vierten Etappe erzwang. Eine Dreiviertelstunde später ging’s auf einer flacheren Straße des Zentralmassivs weiter, woraufhin sich die Kräfteverhältnisse im Peloton ebenso klärten wie die Hierarchie in der Mannschaft des Vorjahressiegers. Der US-Amerikaner Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) und sein Kollege Jonas Vingegaard wechselten sich am Schlussanstieg mit der Kontrolle gegnerischer Angriffe ab – bis der zweifache Tour-de-France-Gewinner einen Ausreißversuch von Lenny Martinez (Bahrain Victorious) konterte.
Auf den beiden Schlusskilometern überschritt sein Vorsprung aber nie zehn Sekunden, und zuletzt musste der 28jährige Däne dem gewohnt zäh hinterherfahrenden Joao Almeida (UAE – Emirates – XRG) sogar den Tagessieg überlassenen. Am Donnerstag verletzte Vingegaard sich bei einem Sturz früh an Hand und Gesicht und wurde dann an der fiesen Schlussrampe distanziert. Dort griff Jorgenson an und übernahm vom Kollegen schließlich das gelbe Trikot, das er schon am Mittwoch dank des tags zuvor gewonnenen Teamzeitfahrens und der bei Zwischensprints auf den ersten beiden Etappen gesammelten Zeitgutschriften getragen hatte. Allerdings wurde der 25jährige auf den letzten Metern der hügeligen Etappe nicht nur vom vier Jahre jüngeren französischen Tagessieger Martinez, sondern auch von dessen Landsmann Clément Champoussin (XDS Astana Team) überholt.
Freitags ging Vingegaard nicht an den Start, was den sechsköpfigen Rest der Mannschaft offenbar erst recht wagemutig machte. Bei widerlichem Wetter setzte sich das Sextett in einer kurzen Abfahrt aus dem Peloton ab und bildete eine Windstaffel. Ebenfalls zu sechst schloss Ineos Grenadiers auf, und da sich neben dem dänischer Vorjahresvierten Mattias Skjelmose (Lidl – Trek) schließlich auch dessen bärenstarker Kollege Mads Petersen in der Spitzengruppe fand, reichte deren kollektive Stärke aus, um auf den verbliebenen gut 50 Kilometern den Abstand zu vergrößern. Den Schlusssprint der Gruppe entschied der 29jährige Däne Pedersen erwartungsgemäß für sich, nachdem er an den ersten beiden Tagen dem drei Jahre jüngeren belgischen Topsprinter Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) das Jubeln hatte überlassen müssen.
Schon vor Beginn war die samstägliche »Königsetappe« wegen Schnees um knapp 40 Kilometer verkürzt worden, was die Siegchancen einer Ausreißergruppe erhöhte, aus der sich der 28jährige Australier Michael Storer (Tudor Pro Cycling Team) durchsetzte. In der Favoritengruppe konnte der Gesamtzweite Florian Lipowitz (Red Bull – BORA – hansgrohe) indes seinen Rückstand auf den am Schlussanstieg isolierten Jorgenson um drei Sekunden verringern. Die Aufmerksamkeit, die er eine Woche lang bewiesen hatte, ließ der 24jährige Deutsche jedoch am Sonntag vermissen, als der erneut isolierte Jorgenson am Fuß des vorletzten Anstiegs angriff. Da war der Gesamtdritte, der 25jährige Niederländer Thymen Arensman (Ineos Grenadiers), ebenso schlecht plaziert, weshalb sein aus der Favoritengruppe vorgestoßener Kollege Magnus Sheffield auf eigene Rechnung weiterfahren durfte. Solo rettete der 22jährige US-Amerikaner einige Sekunden Vorsprung vor Jorgenson ins Ziel, der über den wiederholten Gesamtsieg freilich ebenso jubelte.
Derweil hatte sich auf der samstäglichen Königsetappe des 60. Tirreno-Adriatico der 22jährige Spanier Juan Ayuso (UAE Team Emirates – XRG) erwartungsgemäß den Tagessieg und das Führungstrikot gesichert. Das hatte zuvor der 28jährige Italiener Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) getragen, der als Favorit das Auftaktzeitfahren gewonnen hatte, bevor am Dienstag sein Landsmann Jonathan Milan (Lidl – Trek) ebenso erwartet im Sprint siegte. Dass der 24jährige am Mittwoch stürzte, erleichterte einem weiteren Italiener, dem 30jährigen Andrea Vendrame (Decathlon AG2R La Mondiale Team), sich im nächsten Massensprint durchzusetzen. Tags darauf ereignete sich der Sieg des 23jährigen Niederländers Olav Kooij (Team Visma – Lease a Bike) im Massensprint fast gleichzeitig mit der Einholung der Ausreißergruppe, die am Freitag wiederum verpatzt wurde, so dass sich der 27jährige Norweger Fredrik Dversnes (Uno-X Mobility) als Solosieger ins Ziel rettete. Am Sonntag war der vom Sturz erholte Milan erneut im Massensprint siegreich, nachdem Ganna sich im Zwischensprint eine Zeitgutschrift gesichert und dem 23jährigen Landsmann Antonio Tiberi (Bahrain – Victorious) den zweiten Gesamtplatz weggeschnappt hatte.
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