Schlichtung für 2,5 Millionen
Von David Maiwald
Die Verhandlungen im öffentlichen Dienst sind gescheitert. Nach einer verlängerten, dritten Verhandlungsrunde stand am Montag abend in Potsdam kein Ergebnis für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten fest. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) habe sich »bis zum Schluss gesperrt« und »nicht mehr als Inflationsausgleich – lieber noch ein bisschen weniger« angeboten, kritisierte die Kovorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Christine Behle, nach den Gesprächen. Verdi sei entschlossen, den Druck weiter zu erhöhen, teilte die Gewerkschaft im Anschluss mit.
Doch zunächst kann sie nicht mit Arbeitskampfmaßnahmen reagieren. Da für die Schlichtungszeit wieder die Friedenspflicht gilt, sind Warnstreikaktionen oder Urabstimmungen nicht vorgesehen. Wie Verdi-Chef Frank Werneke nach den Verhandlungen zu verstehen gab, lagen auf seiten der Gewerkschaft »zahlreiche Einigungsvorschläge« parat. Für die VKA stellt der CDU-Politiker Roland Koch den Schlichter, während Verdi erneut den Bremer Juristen Hans-Henning Lühr berufen hatte. Für die Verdi-Mitglieder außerhalb der Verhandlungsrunden bedeutet das nun, abwarten zu müssen, wieviel sich innerhalb des nun abgestimmten Rahmens von Beschäftigtenforderung und Unternehmerangebot aushandeln lässt.
5,5 Prozent mehr Geld lag schlussendlich als Offerte der VKA auf dem Tisch. Zudem hatte sich das Verhandlungsteam um Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereit erklärt, das 13. Monatsgehalt anzuheben und höhere Zulagen für Schichtdienste zu ermöglichen, hatte dpa am Montag nachmittag durchgestochen bekommen. Demnach wurde auch ein »Zeit-statt-Geld-Modell« diskutiert, wonach Beschäftigte Sonderzahlungen in freie Tage umwandeln könnten. Verdi hatte acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr und drei freie Tage gefordert.
»Wir waren für eine Lösung bereit – unsere Verhandlungspartner ganz offenbar nicht«, meinte Werneke. Die unterschiedlichen Positionen zwischen VKA und Verdi seien zuletzt »im Lichte betrachtet nicht so groß« gewesen. So sei Verdi in der Frage der Laufzeit schon auf Bund und Kommunen zugegangen, habe sich »bis an die Schmerzgrenze bewegt«. Vor allem bei der Frage von Gehaltsunterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland habe »großes Unverständnis« bei den Verhandlern der Gewerkschaft dafür vorgeherrscht, »dass die Kommunen im Gegensatz zum Bund die Trennung im Tarifvertrag weiter aufrechterhalten wollen«. Auch habe der kommunale Unternehmensverband die »soziale Komponente« zur Stärkung unterer Entgeltgruppen abgelehnt, kritisierte der Verdi-Chef.
Druck für ein gutes Ergebnis ließe sich mit Sicherheit aufbauen, folgt man den von Verdi genannten Zahlen von Warnstreikenden. In der vergangenen Woche hatten sich demnach mehr als 150.000 Menschen an temporären Arbeitsniederlegungen beteiligt. Und streikende Kolleginnen und Kollegen der Stadtreinigung in Kiel und Berlin hatten Springers Boulevardschreiber gleich mehrfach aufheulen lassen.
Der Tarifstreit im öffentlichen Dienst ist bedeutend, weil er verschiedene Beschäftigtengruppen im Kampf für gemeinsame Interessen zusammenbringt. Erzieherinnen streiken mit Pflegekräften, Krankenhausbeschäftigten, Reinigungspersonal und Behördenmitarbeitern (außer jenen in Hessen), können stärkere und schwächere Organisierungsgrade miteinander aufwiegen und sich gegenseitig stützen.
Da stellt sich die Frage, warum die VKA und nicht Verdi die Gespräche hat platzen lassen. Zumal erstgenannte sich drei Verhandlungsrunden Zeit ließ, überhaupt ein Tarifangebot zu machen. So waren Debatten über das Streikrecht das einzige, was Verdi über mehrere Wochen mit der Beteiligung Zehntausender Beschäftigter anstoßen konnte. Sollte es nun so kommen wie beim vergangenen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst, dürfte der Schlichterspruch im wesentlichen die Einigung im Tarifstreit bedeuten. Gestreikt würde dann auch nicht mehr: ein Erfolg für die Unternehmerseite, die der weiteren Organisierung von Beschäftigten einen Riegel vorschiebt. Trotz Warnstreikaktionen und Protestdemos käme dann eine Einigung »am grünen Tisch« zustande – und weniger aufgrund des Drucks der Kolleginnen und Kollegen.
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