Briefträger des Tages: G. I. Joe
Von Barbara Eder
Brieftauben haben dieser Tage kein leichtes Leben. Die Abkömmlinge einfacher Felstauben wurden zu genetisch optimierten Spitzensportlern mit Fluggeschwindigkeiten von mehr als 130 Kilometern pro Stunde herangezüchtet. Das Training beginnt in Kindertagen: Im Alter von vier bis sechs Wochen gilt ein Taubenjunges als flugfähig, rund vierzig Kilometer am Stück kann es dann bewältigen.
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts durften die aviatischen Überflieger noch mit moderateren Aufgaben rechnen. Als Arbeitstiere im Transportwesen flogen sie langsamer, dafür aber mit klarer Botschaft. Es war eine Taube, welche die Nachricht vom Sieg in der Schlacht von Waterloo übermittelte, während der Weltkriege informierten ihre Verwandten Generäle und Militärs. So etwa gelang es der Taube Cher Ami, im Oktober 1918 den Beschuss der 77. US-Infanteriedivision durch die eigene Artillerie in der Nähe von Verdun zu unterbinden. Die Botin wurde mehrfach angeschossen, auf einem Auge blind und blutüberströmt, konnte sie ihre Botschaft gerade noch überbringen: »For heaven’s sake, stop it.«
Nicht nur Cher Ami hielt in Kriegszeiten kommunikative Kanäle von strategischer Bedeutung offen. Mitteilung vom kommenden Frieden machte auch die Jubilarin des heutigen Tages: Die in Algier geborene männliche Brieftaube G. I. Joe informierte die 65. Brigade der Britischen Armee im Oktober 1943 von der erfolgreichen Einnahme der italienischen Kleinstadt Calvi Vecchia – und verhinderte damit ein Bombardement durch eigene Truppen. Ihre Nachricht folgte einem Funkspruch, der nie ankam. Des anhaltenden Spionageverdachts gegenüber Brieftauben ungeachtet blieben die Botschaften der Brieftauben unterwegs integer. G. I. Joe, die als Überbringerin derartiger Schriftstücke in die Geschichte einging, wäre heute 82 Jahre alt geworden.
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