Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
USA

Hauptsache, erst mal weg

USA: Die Anordnung, Programme zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion einzustellen, treibt wundersame Blüten
Von Ina Sembdner
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»Die einzige Minderheit, die unser Land zerstört, sind die Milliardäre«: Protest in Sarasota (20.3.2025)

Es läuft alles nach Plan für die Milliardäre im Umfeld von US-Präsident Donald Trump: Keine lästigen Gleichstellungs- oder Antidiskriminierungsrichtlinien mehr, durchregieren zum Wohle des Profits. Dabei begann der Abbau von Programmen zur Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion (englisch abgekürzt DEI) im Wirtschaftsbereich schon vor Trumps Anordnung, die Programme in allen Bundesbehörden zu streichen. In Reaktion auf ein Urteil des mit konservativer Mehrheit besetzten Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2023, das sich gegen sogenannte affirmative Maßnahmen – also etwa die Vorteilsgewährung für Frauen und Angehörige benachteiligter ethnischer Gruppen – bei der Zulassung zu Universitäten stellte, nahmen immer mehr Konzerne Abstand von diesen Programmen, von denen viele erst im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung aufgesetzt worden waren.

Ein Verfahren vor dem Bundesgericht in Atlanta aus dem vorigen Sommer zeigt, wohin der Weg gehen soll: Es sah es als wahrscheinlich an, dass durch die gezielte Förderung schwarzer und hispanischer Frauen des beklagten Unternehmens weiße Menschen rassistisch diskriminiert sein könnten. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Und wie das Rechtsportal LTO im Februar weiter berichtete, beläuft sich die Zahl gleichgelagerter Klagen derzeit auf 70. Sie »sind Teil einer größeren politischen Bewegung«, konstatierte Olatunde Johnson von der Columbia Law School gegenüber LTO. Diese richte sich grundsätzlich gegen die Feststellung, dass in der US-amerikanischen Gesellschaft Menschen weiterhin systematisch aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden, so die schwarze Professorin. Jeder Versuch, dem entgegenzuwirken, werde als Diskriminierung weißer Menschen und vor allem weißer Männer gesehen. Das verdeutlicht auch ein Memo aus dem Dezember, das Janelle Gale, Vizepräsidentin der Personalabteilung bei Meta, an die Beschäftigten des Techkonzerns übermittelte. »Der Begriff ›DEI‹ ist auch deshalb brisant geworden, weil er von einigen als eine Praxis verstanden wird, die eine Vorzugsbehandlung bestimmter Gruppen gegenüber anderen suggeriert«, hieß es in der am 10. Januar von Reuters zitierten Mitteilung, die den Abbau entsprechender Richtlinien ankündigte.

Unbenommen, dass Linksliberale an diesem Rollback – nicht nur in den USA – mit der Instrumentalisierung des Kampfes für Minderheitenrechte einen deutlichen Anteil haben. Was gerade unter der Trump-Regierung passiert, geht aber über den als »antikommunistisch« gelabelten Feldzug weit hinaus. Etwa die Anordnung, DEI-Inhalte aus den Onlineveröffentlichungen des Pentagon zu tilgen. Ende Februar hatte Verteidigungsminister Pete Hegseth eine »Aktualisierung digitaler Inhalte auf allen öffentlichen Plattformen« des Pentagon gefordert, die sich auf »Critical Race Theory, Genderideologie und Vorzugsbehandlung oder Quoten auf der Grundlage von Geschlecht, Ethnie oder andere DEI-bezogene Aspekten« beziehen. Eine Ansage, die zu einer Reihe von Interpretationen führte, was entfernt werden solle.

Gelöscht wurden dann Bilder, die den Beitrag von Soldatinnen, Schwarzen, Latinos und Pazifikinsulanern zum Militär hervorhoben, wie mehrere US-Medien akribisch aufgearbeitet haben. So bemerkte etwa das Portal Axios, dass selbst Trumps eigene Stellungnahme aus seiner ersten Amtszeit zu den Leistungen der Native Americans für die Vereinigten Staaten entfernt wurde. Damals hatte der Präsident »den November 2018 zum National Native American Heritage Month« erklärt und »alle Amerikaner« dazu aufgerufen, »diesen Monat mit geeigneten Programmen und Aktivitäten zu begehen und den 23. November 2018 als Tag des amerikanischen Ureinwohnererbes zu feiern«. In anderen Fällen wurden Bilder entfernt, deren Titel schwul (englisch gay) enthielten, etwa Dienstmitglieder mit diesem Nachnamen und ein Bild des B-29-Flugzeugs »Enola Gay«, von dem im Zweiten Weltkrieg die erste US-Atombombe auf Hiroshima in Japan abgeworfen wurde.

Die Nachrichtenagentur AP hat eine von US-Offiziellen verifizierte Datenbank mit 26.000 Bildern der Website des Verteidigungsministeriums erhalten, die zur Entfernung markiert oder bereits entfernt wurden. Pentagon-Sprecher John Ullyot gab sich auf Nachfrage zufrieden mit dem Ausmaß der Löschungen und erklärte, dass Bemühungen, eine Gruppe durch DEI-Programme einer anderen vorzuziehen, die Kameradschaft untergraben und die »Ausführung der Mission« gefährden würden.

Diejenigen, die für die Suche und Löschung der »DEI-Inhalte« verantwortlich waren, beschrieben das Verfahren gegenüber AP dagegen als »schwierig, frustrierend und emotional aufreibend«. Und nach öffentlicher Kritik etwa an der Tilgung des Beitrags zu den Navajo-Codesprechern im Zweiten Weltkrieg wurden einige Seiten zwar wiederhergestellt, Transparenz zu diesem Verfahren gibt es jedoch nicht. Angehörige aller militärischen Dienste hätten das Pentagon um zusätzliche Hinweise gebeten, was wiederhergestellt werden solle, berichtete die Agentur am Sonnabend. Erhalten hätten sie keine. Und ob sich dann die Artikel mit Holocaustbezug – etwa zu der Überlebenden Kitty Saks – oder jene zu Suizidprävention und Krebsvorsorge wiederfinden lassen, bleibt offen.

Hintergrund: Kapital regiert

Er wirkt so unscheinbar und muss doch immer wieder ans Licht gezerrt werden: Der deutsche Techunternehmer Peter Thiel, dessen ehemalige Mitarbeiter, CEOs usw. mittlerweile die Regierungsbank in Washington zieren – nach Zählung von Bloomberg sind es mehr als ein Dutzend »Männer«, wie die Agentur betont. Und mehrere Konzerne, die Thiel entweder gehören oder mit Geld des Milliardärs ausgestattet sind, haben seit Amtsantritt Donald Trumps deutlich profitiert. Die Aktien seines Datenkonzerns Palantir schossen um 90 Prozent in die Höhe, von ihm mitfinanzierte Rüstungsstartups heimsten lukrative Deals mit dem Pentagon ein. Die gegenwärtige Verbindung zwischen Kapital und Regierung sei »beispiellos in der modernen Ära«, zitierte Bloomberg am 7. März den Historiker Quinn Slobodian der Boston University.

Aber Thiel reicht das offenbar noch nicht. Sein jüngster Ziehsohn: Moritz Döpfner, Sohn des Springer-Chefs Ma­thias Döpfner. Der »deutsche J. D. Vance«, wie er offenbar in den entsprechenden Kreisen schon genannt wird, hat nach Angaben des Manager-Magazins einen neuen Risikokapitalfonds an den Start gebracht, an dem sich Thiel mit 50 Millionen US-Dollar beteiligt. Wie einst Vance, der es nun – dank Thiel – bis zum US-Vizepräsidenten geschafft hat, kommt auch Moritz Döpfner aus dessen Firmendunstkreis, etwa als Personalchef bei Thiel Capital.

Springers US-Medium löste vor kurzem einen kleinen Eklat aus, als sich Aufsichtsratsmitglied Martín Varsavsky durch einen vermeintlich propalästinensischen Artikel auf Politico zu dem (später gelöschten) Post hinreißen ließ, dass »die meisten Journalisten woke und links der breiten Öffentlichkeit« stünden. Der Artikel war jedoch von der Agentur AP auf der Seite eingestellt worden. (si)

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