Maritime Vorherrschaft
Von Burkhard Ilschner
Der Genfer Familienkonzern Mediterranean Shipping Company (MSC) marschiert vorwärts zur maritimen Vorherrschaft über Schiffahrt, Häfen und nun auch Assistenzdienste: Vor wenigen Wochen wurde bekanntgegeben, dass MSC seine Schleppertochter Medtug mit der spanischen Boluda Towage fusionieren wolle. Die Verträge sind unterzeichnet, der Deal soll rechtskräftig werden, sobald er kartellrechtlich genehmigt ist.
Schon seit Jahren ist die auch im Kreuzfahrtgeschäft aktive Reederei als Linienunternehmen der Containerschiffahrt Weltmarktführer und hat, wie berichtet, seit Erreichen dieses Titels den Vorsprung vor allen anderen stark ausgebaut. Und ein Blick in die Bestands- und Bestellzahlen sowohl von MSC als auch der anderen konkurrierenden Reedereien zeigt, dass der Vorsprung des Genfer Konzerns noch auf Jahre hinaus weiter wachsen und so seine Spitzenposition festigen wird.
Parallel mischt MSC auch im weltweiten Terminalgeschäft kräftig mit, das wurde ja gerade im vergangenen Jahr durch den Streit um die Beteiligung am Hamburger Hafenbetreiber HHLA publik. Aber all die damit einher gehenden Nachrichten wurden Mitte dieses Monats getoppt durch die Meldung, dass die MSC-Tochter Terminal Investment Ltd. (TIL) den in Hongkong ansässigen Hafenbetreiber Hutchison Ports übernommen hat und damit zum weltweit größten Terminalbetreiber aufgestiegen ist. Nach Angaben des maritimen Londoner Beratungsbüros Drewry überholt TIL durch diesen Deal nicht nur die dänische Reederei Mærsk und deren Hafensparte APM Terminals (APMT), sondern auch den bisherigen Marktführer PSA International aus Singapur. TIL hält aktuell einen Weltmarktanteil von knapp neun Prozent.
Es ist eine Entwicklung, die nicht nur Beschäftigte und ihre Gewerkschaften beunruhigt, sondern auch beinharte »marktwirtschaftliche« Experten skeptisch stimmt: Die einen warnen davor, dass Terminals betreibende Reedereien durch stärkere Kontrolle der Logistikkette Löhne drücken und Jobs vernichten könnten – etwa durch billigere Arbeitskräfte oder stärkere Automatisierung. Die anderen mahnen, dass MSC als weltgrößte Containerreederei und zugleich größter Terminalbetreiber mehr Fracht an sich binden könnte. Solche Wettbewerbsbeschränkung kann die Kosten für Verlader, also Frachtraten und letztlich die Endpreise, in die Höhe treiben.
Die in allen Häfen zwingend erforderlichen Schleppdienste zu beherrschen dürfte solche Entwicklung noch verstärken: Vor wenigen Wochen überraschte MSC die Fachwelt mit der Ankündigung, den bereits vorhandenen Minianteil an Boluda Towage auf 49 Prozent aufstocken zu wollen. Die konzerneigene Schlepperflotte Medtug soll in das gemeinsame Unternehmen eingebracht werden: Medtug war erst 2021 gegründet worden und sofort durch aggressive Auftragsakquisition in ausgewählten Häfen – unter anderem Bremerhaven – aufgefallen. 2022 übernahm Medtug die italienische Rimorchiatori Mediterranei und stärkte so sein Engagement unter anderem im Mittelmeerraum, in Fernost sowie in Norwegen und Kolumbien.
Boluda Towage war zuvor schon durch erhebliche Zukäufe zur weltgrößten Schleppreederei aufgestiegen: Die Spanier hatten etwa 2017 an Weser und Elbe für Unruhe gesorgt, als die Traditionsunternehmen Unterweser-Reederei (URAG) sowie Lütgens & Reimers aufgekauft wurden; 2019 folgte die Übernahme des starken niederländischen Konkurrenten Kotug Smit. Weitere Zukäufe – von Portugal über Großbritannien bis Finnland (um nur einige europäische Beispiele zu nennen) – halfen Boluda ebenso wie heftig umstrittene lokale Kampfpreise gegenüber Konkurrenten, die eigene Position weiter auszubauen.
Sollte der aktuelle Deal kartellrechtlich genehmigt werden, wovon die Fachwelt ausgeht, wird Boluda Towage seine global beherrschende Stellung betonieren. Noch überlassen die Genfer Boluda die Führung des neuen Schleppergiganten – fragt sich nur, wie lange. Sicher ist aber, dass die beiden auf hiesigen Märkten verbliebenen Wettbewerber – Mærsks Svitzer und Hamburgs Fairplay – sich kräftig werden wappnen müssen.
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