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Aus: Ausgabe vom 31.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeit versus Kapital

Tiefe Kluft zwischen Arm und Reich

Italien: Hohe Dividenden an Aktionäre. Reallöhne sinken, Lebenshaltungskosten steigen
Von Gerhard Feldbauer
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Werden für viele Konsumenten immer unerschwinglicher: Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs (Cremona, 13.6.2023)

Der Fakt ist klar: Während die Reallöhne in Italien gegenüber 2008 um 8,7 Prozent gesunken sind, prekäre Arbeitsverhältnisse vielerorts dominieren, die Lebenshaltungskosten rasant steigen, machen die Unternehmen Supergewinne und schütten den Aktionären horrende Dividenden aus. So zahlte der Konzern für Versicherungen und Finanzdienstleistungen Unipol laut seinem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht satte 2,2 Milliarden Euro Dividenden an seine Anteilseigner, was 72 Prozent mehr waren als im Dreijahresvergleich. Das jährliche Wachstum der Dividende betrug pro Aktie etwa zehn Prozent. Dabei stieg der Unipol-Gewinn im gleichen Zeitraum auf 3,8 Milliarden Euro, ein Plus von 28 Prozent. Investitionen sind dagegen nur in Höhe von 500 Millionen Euro im Technologiesektor vorgesehen. Säulen der weiteren Entwicklung bleiben, wie Unipol-Vorsitzender Carlo Cimbri hervorhob, »das Wachstum von Gewinnen und Dividenden«.

Gleichentags veröffentlichte die Nachrichtenagentur ANSA einen Bericht des Statistikamtes Istat, der aufzeigte, zu wessen Lasten diese milliardenschweren Dividenden gehen: auf Kosten von fast 3,5 Millionen Italienern, die nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Armut leben müssen oder von Armut bedroht sind. Am Rande der Armut lebten auch schon etwa zehn Prozent der Beschäftigten, die laut Statistiken 8,90 Euro pro Stunde erhalten, wobei der Anteil bei Frauen, jungen Menschen sowie Personen mit niedrigem Bildungs- und Berufsabschluss höher ist und für viele die Löhne noch darunter liegen.

Im Januar hatte der Verband der Consumatori errechnet, dass bei einer um zwei Prozent angestiegenen Inflationsrate die Mehrkosten für Nahrungsmitteln, Verbrauchsgüter, Kraftstoffe und städtische Transportmittel sowie Pflegekosten für ein Paar mit einem Kind sich jährlich auf 471 Euro beliefen. Nach Abschaffung der preislich gedeckelten Strom- und Gasversorgung durch die rechte Regierung unter Giorgia Meloni müssen die Verbraucher ab Juni 2024 bei Strom, der auf zehn Cent pro Kilowattstunde anstieg, 200 bis 300 Euro pro Person mehr zahlen.

Dasselbe gilt für die Gasrechnungen, wo laut einem Bericht der Italienischen Beobachtungsstelle für Energiearmut (Osservatorio Italiano sulla Povertà Energetica, OIPE) der Anstieg bei durchschnittlich 8,5 Prozent liegt, in einigen Regionen wie Kalabrien 16,7 Prozent erreicht. Besonders betroffen von den steigenden Lebenshaltungskosten sind schutzbedürftige Menschen, Kinder, Migranten und vor allem ältere Menschen.

Bereits 2023 war das Realeinkommen der Familien um 1,6 Prozent gesunken, was einem Verlust pro Person von durchschnittlich 500 Euro im Jahr entsprach. Wobei zu berücksichtigen ist, dass der allgemeine Einkommensrückgang sich aus einer Stagnation bzw. einem Rückgang der Einkommen bei 80 Prozent der Bevölkerung und einem schwindelerregenden Einkommensanstieg bei den reichsten Schichten von 20 Prozent zusammensetzt.

Wenn der Reallohn der italienischen Arbeiter in den vergangenen fünfzehn Jahren also um 8,7 Prozent gesunken ist, bedeute das, so errechnete das kommunistische Onlinemagazin Contro­piano kürzlich, dass der durchschnittliche Beschäftigte im Vergleich zu vor fünfzehn Jahren einen Monat weniger Lohn erhält, einen Monat lang also unentgeltlich ackern muss. Sein Einkommen fließt aufs Konto des »Arbeitgebers«, der – wie im Falle von Unipol – den produzierten Mehrwert als Dividenden an Anteilseigner ausschüttet.

Der Generalsekretär der größten italienischen Gewerkschaft Confederazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL), Maurizio Landini, verurteilte am vergangenen Donnerstag auf der gewerkschaftseigenen Onlineplattform Collettiva, dass die Meloni-Regierung nichts gegen die Armut unternehme. Landini forderte eine »radikale Umkehr« mittels Einführung eines Mindeststundenlohns und stabiler garantierter Tarifverträge, um die Kaufkraft der Beschäftigten wirklich zu schützen.

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