Ohne den ganzen Klimbim
Von Leo Schwarz
Die neue Ausgabe des Mitteilungsblatts der Alfred-Klahr-Gesellschaft versammelt anlässlich des bevorstehenden 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus informative Beiträge, die sich mit der Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung im Jahr 1945 beschäftigen. Beachtung verdient vor allem ein ausführlicher Aufsatz von Manfred Mugrauer, der die »KPÖ im Jahr der Befreiung« in den Blick nimmt. Die Partei, betont er, war als »Hauptfaktor des antifaschistischen Widerstands« die einzige politische Kraft, »die nicht dazu gezwungen war, ihren Namen zu ändern« – sie hatte ihre Tätigkeit in den zwölf Jahren der Illegalität nie eingestellt. Zum Zeitpunkt des Verbots im Mai 1933 nur 4.000 Mitglieder stark, trat die Partei im April 1945 mit 25.000 Mitgliedern aus der Illegalität heraus.
1945 erweist sich in der Rückschau als das Jahr, in dem die KPÖ über den größten Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung verfügte. Bis 1947 war sie Regierungspartei und »in Betrieben und Gemeinden breit verankert«; in 167 Städten und Gemeinden waren Kommunisten als provisorische Bürgermeister eingesetzt worden. Die Partei habe sich nach der Befreiung als »demokratische Wiederaufbaupartei« verstanden, schreibt Mugrauer. Bei der »volksdemokratischen Orientierung« sei es darum gegangen, mit grundlegenden Reformen den Einfluss der Arbeiterklasse »auf Kosten des Großkapitals« zu erhöhen, um so schrittweise die Voraussetzungen für die weitere (friedliche) Entwicklung zum Sozialismus zu schaffen. Das sei im Frühjahr 1945 durchaus ein auf die Realitäten bezogenes politisches Programm gewesen.
Auf der lokalen Ebene waren es in vielen Fällen Kommunistinnen und Kommunisten, die zuerst die Initiative für den Wiederaufbau ergriffen und »Ordnung in das allgemeine Chaos« brachten. »Sie zeigten, wie man eine Gemeinschaft leiten kann ohne Sekretärin im Vorzimmer, ohne den ganzen Klimbim des Bürokratismus, ja sogar ohne die ›Qualifikation‹ jahrzehntelangen Hinaufdienens in einem Partei- und Beamtenapparat«, zitiert Mugrauer den Wiener KPÖ-Aktivisten Anton Wörz.
Allerdings war der Einfluss der Partei in den Betrieben und in den Gewerkschaften erheblich größer als »bei allgemeinen Wahlen«; bei der Nationalratswahl im November 1945 schnitt die Partei mit 5,4 Prozent unerwartet schlecht ab. Als »schwerwiegendstes Problem« macht Mugrauer aus, dass die KPÖ, die ihrerseits kaum Spielraum für »differenzierte Herangehensweisen« gehabt habe, mit allen Handlungen der sowjetischen Besatzungsmacht identifiziert wurde (»Russenpartei«). SPÖ und ÖVP arbeiteten, unterstützt von den westlichen Besatzungsmächten, seit dem Sommer 1945, zunächst »still«, an der Zurückdrängung des kommunistischen Einflusses. Am Ende scheiterte die KPÖ »mit ihren Hauptanliegen«, konstatiert Mugrauer: Es gab keine neue Verfassung, und eine Demokratisierung der Verwaltung blieb aus – am »konservativen Übergewicht im Staatsapparat« änderte sich nichts.
Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft, Jg. 32/Nr. 1, 24 Seiten, 1,50 Euro, Bezug: Alfred-Klahr-Gesellschaft, Drechslergasse 42, A-1140 Wien, E-Mail: klahr.gesellschaft@aon.at
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