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Aus: Ausgabe vom 01.04.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

Hätte auch schiefgehen können

Mads Pedersen gewinnt das belgische Straßenradrennen Gent–Wevelgem
Von Holger Römers
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Jetzt aber schnell: Sprint beim belgischen Frühjahrsklassiker Gent–Wevelgem (30.3.2025)

Als Mads Pedersen (Lidl – Trek) am Sonntag bei der 87. Austragung von Gent–Wevelgem seine Attacke ritt, konnten zwei andere Siegkandidaten mühelos folgen. Bevor der Schotterabschnitt, auf dem der 29jährige Däne angegriffen hatte, zurückgelegt war, wurde Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) jedoch durch einen Platten aufgehalten, und für Olav Kooij (Team Visma – Lease a Bike) war der Radsportklassiker gleich darauf wegen eines Schlüsselbeinbruchs zu Ende. Dass der Sieger von 2024 und 2020 die beiden Konkurrenten so schnell los war, bedeutete ironischerweise ein Problem. Denn von der 250 Kilometer langen Strecke waren noch 71 Kilometer zu absolvieren, auf denen Pedersen von einem temporären Zweckbündnis mit zwei starken Gegnern profitiert hätte.

Solo unterwegs

Von der Ausreißergruppe des Tages, die bald eingeholt war, war nach über 150 Fluchtkilometern kaum anteilige Tempoarbeit zu erwarten. Und Victor Campenaerts (Team Visma – Lease a Bike), der gut zwanzig Kilometer zuvor dazu gestoßen war, würde gegebenenfalls die Interessen seines Kapitäns Matteo Jorgenson vertreten. Deshalb konterte Pedersen bei der zweiten von insgesamt drei von Pflastersteinen geprägten Überquerungen des Kemmelbergs nicht nur eine Beschleunigung des Belgiers, sondern setzte gleich zur Solofahrt an. Obwohl auf den letzten der verbliebenen 56 Kilometer Rückenwind zu erwarten war, ließen die Kräfteverhältnisse im Peloton es aber weiterhin denkbar erscheinen, dass Pedersens Unterfangen »in der Scheiße enden« würde, wie er später in unfeinem Englisch formulieren sollte.

Vier Kollegen, die gegebenenfalls die Nachführarbeit der Mannschaften anderer Favoriten hätten stören können, mussten sich jedoch kaum bemühen, denn eine kontinuierliche Verfolgung kam merkwürdigerweise nie zustande. Dass der aktuell beste Sprinter Tim Merlier (Soudal Quick-Step) sich schließlich freute, den Massensprint um Platz zwei knapp vor dem 24jährigen Italiener Jonathan Milan (Lidl – Trek) gewonnen zu haben, war indes nur damit zu erklären, dass der 32jährige Belgier wohl nicht sicher gewesen war, ein vier Tage zurückliegendes Sturzfestival gut überstanden zu haben. Beim Eintagesrennen Brügge–De Panne, das vom 30jährigen Kolumbianer Juan Sebastián Molano (UAE Team Emirates – XRG) gewonnen worden war, hatte es nämlich auf den letzten fünf Kilometern gleich vier, zum Teil furchterregende Stürze gegeben, von denen einer auch Merlier zur humpelnden Aufgabe gezwungen hatte.

Vorarbeit nutzen

Pedersen darf jedenfalls hoffen, an einem der beiden kommenden Wochenenden erstmals ein sogenanntes Monument zu gewinnen. Noch wahrscheinlicher ist freilich, dass Mathieu van der Poel (Alpecin–Deceuninck) bei der Flandern-Rundfahrt oder Paris–Roubaix seine Siege vom Vorjahr wiederholen könnte. Denn der 30jährige Niederländer hat am Freitag beim 67. E3-Rennen eine weitere Meisterleistung vorgelegt. Schon vorm Taaienberg hatte Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) seine Mannschaft die Kontrolle übernehmen lassen, bevor Pedersen dann an dem Anstieg, der regelmäßig eine Vorentscheidung bringt, die Vorarbeit eines eigenen Kollegen zur Beschleunigung nutzte. Van der Poel war jedoch zur Stelle, so dass man zunächst zu dritt, dann ergänzt um zwei vorherige Ausreißer bis zum Oude Kwaremont fuhr, wo der Niederländer beim Kopfsteinpflasteranstieg schließlich den 28jährigen Italiener und dann den Dänen abschüttelte – womit gut 40 Kilometer vorm Ziel die Podiumsplätze entschieden waren.

Bei den Frauen hat derweil Lorena Wiebes (Team SD Worx – Protime) unterstrichen, dass sie im Massensprint unschlagbar ist. In De Panne war der 26jährigen Niederländerin die ein Jahr jüngere Italienerin Chiara Consonni (Cayon – Sram – Zondacrypto) vergleichsweise nahegekommen. Deren 27jährige Landsfrau Elisa Balsamo (Lidl – Trek) wurde dagegen bei Gent–Wevelgem als Zweite – gefolgt von der 25jährigen Niederländerin Charlotte Kool (Team Picnic PostNL) – ähnlich deutlich distanziert, wie es ihr als Dritter am Mittwoch ergangen war. Wiebes konnte am Sonntag wieder auf die Kollegin Lotte Kopecky vertrauen. Dass die 29jährige Belgierin den Kemmelberg, der beim mit knapp 169 Kilometern längsten Frauenrennen zweimal auf dem Programm stand, jeweils als erste überquerte, schien bloß dem Zweck zu dienen, etwaige Absetzbewegungen von Konkurrentinnen wie der – früh gestürzten – Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) zu neutralisieren. Hinzu kam freilich, dass Wiebes selbst schnell zu vorübergehenden Spitzengrüppchen aufschloss – so dass sie der Weltmeisterin an den beiden kommenden Wochenenden wohl ihrerseits wird helfen können.

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