Kurs gehalten
Von Daniel Bratanovic
Wer sagt, die Medien dieses Landes stecken in der Krise, spricht eine Binse aus. Man muss allerdings gar nicht an den Grenzen haltmachen, um festzustellen: Das Elend blickt einem auch von den Titelseiten anderer Zeitungen anderer Länder entgegen. Druckereien werden im Wochentakt geschlossen, Redaktionen Jahr für Jahr verkleinert oder gleich dicht gemacht und der »Mantel« einer Lokalzeitung ist der »Mantel« aller anderen Lokalzeitungen. Dabei hat sich in der Bundesrepublik die Dauer der Mediennutzung in den vergangenen 60 Jahren ungefähr verdreifacht – von drei Stunden und 22 Minuten auf neun Stunden und 22 Minuten täglich. Seit 2015 wiederum hat sich der internetbasierte Medienkonsum – Video-on-Demand, Onlinezeitungen, Podcasts – gegenüber heute verfünffacht. Das Problem: Textbasierte Angebote werden immer weniger nachgefragt, anders gesagt: Immer weniger Menschen lesen eine Zeitung, gleich ob digital oder gedruckt.
Viel ließe sich nun darüber sagen, dass die neue Technik das Medium der Informationsvermittlung verändert und damit auch die Gewohnheiten der Mediennutzung. Noch mehr darüber, dass etablierte Medienhäuser, getrieben von der Profitlogik, in Erwartung größeren Absatzes und höherer Klickzahlen, Inhalte simplifizieren und verlässlich das Niveau absenken, dass sie der Konformität unterliegen und sie zugleich erzeugen und dass ihre Zeitungen und sonstigen Formate folglich einander nicht mehr nur immer ähnlicher werden, sondern einander bereits gleich geworden sind, weshalb, letzte Konsequenz, das Zeug nun auch keiner mehr lesen, geschweige denn kaufen will. Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig, denn wenn’s pur so wäre, wie’s der linke Journalist gerne hätte, müsste doch umgekehrt das immerhin noch vorhandene alternative, kritische und aufklärerische Medienangebot sich stetig steigender Nachfrage erfreuen. So aber verhält es sich nicht, vielmehr sind auch linke Medien vom Niedergang nicht ausgenommen.
Linke Publizistik war von allem Anfang an mit der Arbeiterbewegung verbunden. Und wo die es ernst meinte mit einer Veränderung der Verhältnisse, waren ihre Zeitungen nie nur und nie neutrale Informationsquelle, sondern, wie man damals sagte, kollektiver Propagandist und Agitator und sogar kollektiver Organisator. Es gab ihrer etliche und in höchster Auflage. So wie aber die alte Arbeiterbewegung nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, so ist auch schon lange das mit ihr affiliierte Zeitungswesen futsch. Übrig geblieben sind Milieus und Szenen, gespalten und getrennt entlang partikularer Interessen und eifersüchtig verteidigter Identitäten. Kein schönes Bild.
Als sich Teile der Belegschaft dieser Zeitung 1995 mit der Gründung des Verlags 8. Mai und der Linken Presse Verlags-, Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt das Fundament gaben, auf dem sie heute steht, mochte keiner angeben, wie lange das Vorhaben Bestand haben würde, und Wetten darauf, dass es die junge Welt 30 Jahre später noch geben würde, sie sogar ziemlich stabil dasteht, hätte damals vermutlich kaum einer abgeschlossen. Der Medienkrise, die eine strukturelle ist, kann sich auch die marxistische Tageszeitung nicht entziehen, sie behauptet sich aber gegen den Trend, ihre Auflage wächst. Der Erfolg dürfte nicht wenig mit ihrer Ausrichtung zu tun haben. Aus dem Szenegepose versucht sie sich herauszuhalten, hält aber vor allem an Standpunkten fest, die der veröffentlichten Meinung in ihrem ordnungskonformen Gleichklang entgegenstehen. Der beständige Sog der Integration zieht linke Organisationen und deren Medien immer wieder zu Positionen von Staat und Kapital. Dem zu widerstehen fällt nicht leicht. Die vergangenen 30 Jahre jungen Welt haben aber bewiesen, dass dies gelingen kann. Nicht verhandelbar sind dabei, um nur das wenigste zu sagen: die internationale Solidarität mit den Ausgebeuteten und Entrechteten, der Widerstand gegen Sozialabbau, Militarisierung und Krieg. Das kann, das soll in den kommenden 30 Jahren so weitergehen.
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