Lästige Verpflichtungen loswerden
Von Max Grigutsch
Vorrang vor Menschenleben hat die Regierungsbildung: Mit Verweis auf die laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD hat die amtierende Bundesregierung die humanitäre Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten unter dem »Resettlement«-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ausgesetzt. Der Nachrichtenagentur dpa lag am Dienstag eine entsprechende Mitteilung vor, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Mitte März an das UNHCR geschickt hatte. Es würden »bis zu einer Entscheidung durch eine neue Bundesregierung keine neuen Verpflichtungen eingegangen«, bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Dienstag. Nur bereits »weit fortgeschrittene« Verfahren würden noch vollendet.
Lästige Verpflichtungen für den Staat, Lebensgefahr für die Betroffenen. Im Rahmen des Programms werden Geflüchtete vermittelt, deren Situation weder eine Rückkehr in ihr Heimatland noch einen weiteren Aufenthalt im Erstaufnahmeland erlaubt, darunter etwa Mütter kleiner Kinder, Minderjährige, Folteropfer oder Menschen mit Behinderungen oder dringendem Behandlungsbedarf. Nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks müssten derzeit 2,9 Millionen Menschen im Rahmen des Programms umgesiedelt werden. Deutschland hatte für die Jahre 2024 und 2025 insgesamt 13.100 Aufnahmeplätze zugesagt. Davon sind laut UNHCR bisher 5.061 Geflüchtete eingereist. Nun sind 8.039 Plätze gefährdet, die der Asylpolitik einer Regierung Merz zum Opfer fallen könnten.
Die Aufgenommenen erhalten zunächst einen Aufenthaltstitel für drei Jahre, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. BAMF-Chef Hans-Eckhard Sommer hatte sich noch Ende März für mehr humanitäre Aufnahmen ausgesprochen, aber dafür die faktische Abschaffung des individuellen Asylrechts vorgeschlagen. Mit dem Aussetzen des UNHCR-Programms sind nun auch Tausende solcher Verfahren auf Eis gelegt. Zudem haben die Koalitionäre in ihrem Sondierungspapier angekündigt, andere Programme, wie das für Menschen aus Afghanistan, größtenteils zu beenden und keine neuen freiwilligen Programme einzuführen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (9. April 2025 um 06:40 Uhr)Der erste Teil der Vorbereitung eines großen Völkerschlachtens ist immer, den Menschen das Mitleid mit bedrängten Artgenossen abzugewöhnen. Natürlich unter der Vorspiegelung dessen, damit besonders hohe ethische und politische Werte durchsetzen zu wollen. Das war, ist und bleibt absolut ekelhaft.
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