Aus Leserbriefen an die Redaktion

Kaum Widerhall
Zu jW vom 5./6.4.: »Überall Barrieren«
In der vergangenen Woche fand in Berlin der General Disability Summit statt, ein Treffen von 3.000 Behindertenvertretern aus aller Welt. Von den Medien blieb das weitgehend unbeachtet, obwohl daran doch auch der amtierende Bundeskanzler, der jordanische König und eine stellvertretende UN-Generalsekretärin teilnahmen. Hat das vielleicht damit zu tun, dass die Politik sich intensivst darum kümmern muss, mittels Kriegen und Rüstung dafür zu sorgen, dass die Zahl der Behinderten, die ohnehin schon über eine Milliarde beträgt, noch weiter wächst? Ohnehin leiden in Kriegen, das zeigte die Konferenz nachdrücklich, Behinderte, Frauen und Kinder am schrecklichsten. Was hilft es, wenn im Forum Beispiele davon gezeigt wurden, wie mit modernster Prothetik dafür gesorgt werden kann, dass neue Hoffnung ins Leben Behinderter einziehen kann, wenn gleichzeitig Landminen, Streumunition und Drohnen neue Behinderungen schaffen?
15 Prozent der Weltbevölkerung führen ein Leben mit Behinderung. Die Forderung des Gipfels lautete: 15 für 15. 15 Prozent der gesellschaftlichen Ausgaben für jene 15 Prozent, die nicht mehr am Rande der Gesellschaft oder hinter ihr von ihrem Mitleid, sondern selbstbewusst und ganz selbstverständlich mitten in ihr leben wollen. Eine Forderung, der man vorbehaltlos zustimmen kann, anders als der Forderung, fünf Prozent des gesellschaftlichen Reichtums für das Militär, für Tod und Vernichtung regelrecht aus dem Fenster zu werfen.
Joachim Seider, Berlin
Geheucheltes Gedenken
Zu jW vom 4.4.: »Kritiker ausgeladen«
Die politische Klasse Israels bestimmt, wer am Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald sprechen darf. Es ist eine Schande, Herr Wagner sollte sich schämen. Was werden wohl beim Gedenken Politiker wie Mario Voigt oder auch Christian Wulff sagen? Dass das illegale internationale Lagerkomitee, bestehend aus Kommunisten und Sozialisten, den dreijährigen Jerzy Zweig versteckt und gerettet hat? Willi Bleicher, KPO-Mitglied und nach der Befreiung vom Nazifaschismus herausragender IG-Metall-Gewerkschaftsführer, hat sich unter Ausnutzung seiner Funktion als »Roter Kapo« durch die Rettung des dreijährigen Jungen einen unsterblichen Namen gemacht. Die KPD mit ihren 700 inhaftierten Genossen stand von Anfang an im Zentrum des Buchenwalder Widerstandes. Es sollte dem ehemaligen Bundespräsidenten Wulf nicht schwerfallen, diese historischen Wahrheiten in der Gedenkstätte den teilnehmenden Menschen mitzuteilen. In seinem Niedersachsen waren die beiden kommunistischen Widerstandskämpfer August und Kurt Baumgarte der jüngeren Generation bekannt. Beide Brüder waren insgesamt über zwölf Jahre in faschistischen Kerkern und KZ weggesperrt, erlitten Folter und wurden nach dem vierten KPD-Verbot im Jahre 1956 erneut inhaftiert. Der Sozialdemokrat Benedikt Kautsky, Sohn von Karl Kautsky: »Es handelte sich fast ausschließlich um Kommunisten, die in Buchenwald in vorbildlicher internationaler Solidarität allen Antifaschisten ohne Unterschied der Partei, Nation oder Konfession ihre Hilfe zuteilwerden ließen.« Von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek stammt folgendes Zitat: »Im neuen Deutschland kann nicht geduldet werden, dass es da Rote Kapos, Kommunisten, Sozialisten aller Richtungen und Schattierungen gibt, die Menschen gerettet haben!« Ob Jens-Christian Wagner zum 80. Jahrestag der Selbstbefreiung die Angehörigen des Auschwitz- und Buchenwald-Häftlings Hermann Axen eingeladen hat, dem nach der Wiedervereinigung sein gesamtes Privatvermögen geraubt wurde?
Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen
Wo war der Chor?
Zu jW vom 5./6.4.: »Aus eigener Kraft«
Ich danke Herrn Ulrich Schneider für seinen Beitrag zur Selbstbefreiung des KZ Buchenwald, der der Geschichtsklitterung der offiziellen Veranstaltungen in Weimar und auf dem Appellplatz am vergangenen Wochenende erneut die Stirn geboten hat. Sein Mitsingen aller Strophen des Buchenwaldliedes auf dem Appellplatz, das selbst vom MDR durch die Kamera eingefangen wurde, hat mich tief beeindruckt. Bezeichnend war auch, dass zum 80. Jahrestag der Selbstbefreiung Buchenwalds kein Chor dafür live zur Verfügung stand.
Herbert Stieler, Erfurt
Ministerium für Krieg
Zu jW vom 4.4.: »Werber schlagen Alarm«
Angriff schwingt mit, wenn ein Minister für Verteidigung zur Kriegstüchtigkeit aufruft. Darüber stolpern immer mehr verstörte Mitbürger. Einige Aufgeweckte bitten nun um gemäßigte Sprache und verträgliche Aufrufe, etwa zur Verteidigungsfähigkeit. Dabei fehlt dieser der Verteidigungswille und das beeinträchtigt die Ausbildung des Willens zum Sieg. Daher: Schluss mit ermüdenden Worten! Im Dienst der wehrhaften Demokratie braucht es ein Ministerium für Krieg! Welche Zugkraft hat ein Aufruf zur Verteidigung des Guten und Richtigen von einem demokratisch gewählten Kriegsminister! Und wenn dieser Künstler Angriff für die beste Verteidigung hält, dann gewinnen auch Parolen wie »Seit fünf nach zwölf wird zurückgeschossen!« neuen Zauber. Nur eines bleibt hängen: Der kalte Hauch der Dummheit, der durch die Welt weht, wie durch diese Zeilen.
Joachim Fröhlich, Kirchseeon
Die politische Klasse Israels bestimmt, wer am Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald sprechen darf. Es ist eine Schande, Herr Wagner sollte sich schämen.
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