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Aus: Ausgabe vom 11.04.2025, Seite 15 / Feminismus
Frauenfilmfestival

Filmisches Aufbegehren

Gegen den reaktionären Rollback: Das Internationale Frauenfilmfest bringt feministische Perspektiven auf die große Leinwand
Interview: Gitta Düperthal
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Vom Land in die Stadt und zurück: Der Film »Cidade; Campo« der brasilianischen Regisseurin Juliana Rojas

Das 42. Internationale Frauenfilmfest (IFFF) hat einmal mehr manifestiert: Während mit politischer Rechtsentwicklung ein Rollback zu beklagen ist, treibt es die feministische Debatte über das Filmschaffen von Frauen weltweit voran. Mit seiner Filmauswahl gibt es Einblick in die globale soziale und wirtschaftliche Lage von Frauen. So auch der indische Film »Village Rockstars 2« von Rima Das, der am Sonntag in Dortmund den Internationalen Spielfilmpreis erhielt. Eindrücklich zeigt das Filmdrama, wie der von Lebenslust geprägte Alltag einer jungen Frau durch Klimakrise und Machismus im Chaos versinkt.

Der Dokumentarfilm der Norwegerin Vibeke Løkkeberg, »The Long Road to the Director’s Chair« (2025), machte mit wieder aufgefundenem Ton- und Bildmaterial das »Erste Internationale Frauenfilmseminar« 1973 im Kino Arsenal in Westberlin sichtbar: Mühsam hatten sich Frauen der Branche international ihren Platz auf dem Stuhl der Filmdirektorin oder Regisseurin erst erkämpfen müssen. Festivalleiterin Maxa Zoller kommentierte den Rückgriff auf die Filmgeschichte: »There is no future without a past.« Zukunft ist nicht denkbar, ohne die Vergangenheit zu kennen. In der Tat wäre möglicherweise noch heute alles männlich dominiert, hätten Filmemacherinnen wie Claudia von Alemann und Helke Sander dieses Treffen nicht organisiert.

Viele ihrer Kolleginnen hatten damals Beschwerde geführt: Filme von Frauen wurden gekürzt, geschnitten, zensiert, oftmals bis jegliche weibliche Perspektive daraus entschwunden war. Im Filmgespräch sagte die damals beim WDR angestellte Christiane Schaefer-Winkelmann: »Wir mussten alles für männliche Filmemacher organisieren.« Eigene Inhalte zu setzen, sei Frauen nur gelungen, wenn sie sich solidarisch gegenseitig den Rücken freihielten. Aktuell werde Erkämpftes wieder zurückgenommen, kritisierte eine Zuschauerin. »Wir haben den Generationswechsel geschafft«, vermeldete dagegen Zoller.

Der Blick auf die Historie dient dem Festivalteam als Mahnung. »Schreitet reaktionäre Entwicklung voran, müssen wir den Druck von unten verstärken«, so Betty Schiel, die Kuratorin des Festivalfokus »Sehen lernen und verlernen – Film dekolonisieren«. Gegen das vom weißen, hierarchischen Blick geprägte Kino müsse es ein filmisches Aufbegehren geben, verdeutlichte auch die in Brüssel lebende kamerunische Filmemacherin Rosine Mbakam in einem Workshop. Künstlerische Arbeit müsse Menschen in ihrer Community stets so darstellen, dass sie sich und ihre Geschichten auf der Leinwand wiedererkennen können.

Wie dringlich das ist, erläuterte sie am Negativbeispiel einer Szene aus »Afriques: comment ça va avec la douleur?« (1996) des französischen Dokumentarfilmers Raymond Depardon. Dieser zeigte eine afrikanische Frau und eine Jugendliche beim Holzsammeln mit nackten, staubigen Füßen, ohne deren Einverständnis einzuholen. Und – wie sein darüber gelegter, despektierlicher Kommentar zeigt – auch ohne irgend etwas über seine Protagonistinnen und deren Lebensumstände zu wissen. Es müsse aufhören, dass weiße Filmemacher sich in Afrika mit filmischem Material alles aneignen, ohne zu fragen, und ihre eigene Perspektive dazu aufzwingen.

Wer sich die Serie »Schwarze Früchte« anschaut, aktuell noch bis Oktober in der ARD-Mediathek zu sehen, dem wird möglicherweise auffallen, wie konservativ der aus weißem, heterosexuellen Blick geprägte deutsche Fernsehmarkt üblicherweise daherkommt. »Es müssen gar nicht immer die Geschichten von besonderen, sympathietragenden Figuren sein«, so die Kuratorin Natascha Frankenberg gegenüber jW. Postmigrantische queere Stories seien im deutschen Fernsehen grundsätzlich unterrepräsentiert.

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