SPD-Spitze bearbeitet Basis
Von Marc Bebenroth
Auch auf Protokollveranstaltungen sollte man vorbereitet sein. Der Vorteil: Man weiß ziemlich genau, was passieren wird. Ein solcher Termin dürfte die Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum nächsten Bundeskanzler werden. Die Verwaltung des Bundestags bereitet dazu eine Einberufung des Parlaments für den 6. Mai vor, wie die dortige Pressestelle am Montag mitteilte. Damit es bei dem Datum bleibt, müssen die Unionsparteien und die SPD vorher noch jeweils die ausverhandelte Koalitionsvereinbarung abnicken.
Für die Spitzengremien der CSU war bereits am 10. April alles paletti. Der Vorstand der bayerischen Regierungspartei von Markus Söder, die Landesgruppe im Bundestag und die Fraktion im Landtag in München stimmten dem Koalitionspapier zu. Die CDU plant für den 28. April einen sogenannten kleinen Parteitag, der seine Zustimmung erteilen soll. Nur die SPD lässt eine Mitgliederbefragung abhalten. Diese beginnt an diesem Dienstag und dauert bis zum 29. April an.
Die sozialdemokratische Nomenklatura startete am Montag abend ihre Charmeoffensive und begann in Hannover, die Basis zu massieren. Mitglieder sollten mit dem Vorstand und den Funktionären ins Gespräch kommen, die an den Koalitionsverhandlungen beteiligt waren. Um das gewünschte Ergebnis zu garantieren, übt die SPD-Spitze mehr als nur sanften Druck auf die Basis aus. Jedes Mitglied habe das Recht, bei dem Votum abzustimmen, »wie er oder sie will. Das ist eine demokratische Entscheidung«, sagte Parteichef Lars Klingbeil am Sonntag abend in der ARD-Sendung »Caren Miosga«. Aber jedem müsse klar sein, was die Alternative zum Scheitern einer Koalition der »demokratischen Mitte« sei, drohte Klingbeil möglichen Abweichlern.
Deutlicher wurde der Vorsitzende der Thüringer SPD. »Ein Scheitern mag man sich nicht vorstellen angesichts der Umfragewerte für die AfD«, warnte Georg Maier gegenüber dem Handelsblatt vom Montag. Er räumte ein, dass die Koalitionsvereinbarung »auch einige bittere Pillen« enthalte, »insbesondere in den Bereichen Migration und Soziales«. Die will die Parteijugend in der Form nicht schlucken. Nachdem mehrere Landesverbände ihre Ablehnung erklärt hatten, betonte der Vorsitzende der Jusos, Philipp Türmer, am Montag gegenüber RTL/N-TV, dass es »deutliche Nachbesserungen« brauche.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. April 2025 um 09:46 Uhr)»SPD-Spitze bearbeitet Basis« – das ist kein neues Phänomen, sondern beinahe schon Tradition. Die Parteiführung hat sich in der Geschichte der SPD immer wieder über Widerstände an der Basis hinweggesetzt und zentrale Entscheidungen durchgedrückt – zuletzt unter Gerhard Schröder mit dem Kosovokrieg und den Hartz-IV-Reformen. Schon bei der Gründung der Partei waren es nicht die einfachen Arbeiter, die die sozialen Ziele bestimmten, sondern die Parteielite, die diese Ziele im Namen der Arbeiterklasse formulierte und versuchte sie durchzusetzen. Die gegenwärtige Situation reiht sich nahtlos in dieses Muster ein: Die Spitze entscheidet, die Basis soll abnicken.
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