»Wir haben ein schlüssiges Konzept für unsere Hütte«
Interview: David Bieber
Die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann GmbH, HKM, im Süden von Duisburg ist das zweitgrößte Stahlwerk Deutschlands. Es ringt ums Überleben und sucht einen Käufer, weil es andernfalls geschlossen werden soll. Wie steht es nach der jüngsten Aufsichtsratssitzung um das Werk?
Die Stimmung in der Belegschaft ist seit Jahren mies bei Thyssen-Krupp, HKM und Co. angesichts der diversen Hiobsbotschaften. Die Bedrohungslage ist offensichtlich, zumindest, wenn man das Ultimatum von Thyssen-Krupp liest: Verkauf oder Schließung. Wir setzen auf Verkauf und haben viele gute Argumente dafür. Darüber haben wir erneut unsere Belegschaft in unseren Betriebsversammlungen informiert und weiten dies auch durch regelmäßige Sprechstunden, während der Arbeitszeit, massiv aus. Viele Fragen entstehen ja erst noch bei unseren Kolleginnen und Kollegen und sie stellen sie auch lieber im kleinen Kreis einer Sprechstunde als in großen Versammlungen. Zudem bereiten wir betrieblich mit der IG Metall Tarifverhandlungen über einen Zukunftsvertrag unserer HKM vor. Denn wir sehen diese Zukunft und wollen sie mit unseren Eigentümern nun auch in Vertragsform gießen.
Die plötzliche Kündigung des Liefervertrages durch den Haupteigner und Hauptkunden Thyssen-Krupp kam unerwartet. Forciert Thyssen-Krupp damit die Schließung von HKM?
Wir befürchten, dass Thyssen-Krupp genau das vorbereitet. Sinnvoller wäre es, etwaige Kosten in die Fortentwicklung der HKM zu investieren als einen noch viel höheren Betrag für eine Schließung aufbringen zu müssen.
Könnte sich der Protest der Arbeiter »radikalisieren« oder wird die drohende Schließung hingenommen?
Wir haben nicht nur eine qualifizierte Belegschaft, sondern auch eine, die weiß, was sie produzieren kann und die sich zugleich seit Jahren engagiert für die grüne Transformation einsetzt. Verunsicherung trifft es eher. Für andere integrierte Stahlwerke in Deutschland wurden von der Politik Förderbescheide für die grüne Transformation erteilt, nur für unseren Betrieb nicht. Auch die jahrelange »Zurückhaltung« unserer Eigentümer ist zu hinterfragen, die lange sehr zögerlich bei einem klaren Bekenntnis zur Transformation unserer Hütte und der entsprechenden Antragstellung beim Wirtschaftsministerium waren.
Wir haben ein schlüssiges, industrielles Konzept für die Zukunft unserer Hütte. Und es gibt potentielle Interessenten. Niemand kann uns derzeit verlässlich sagen, welche Dinge sich politisch global noch ändern. Klar ist aber auch, wie in jeder Tarifrunde: Wir werden unsere Interessen konsequent vertreten. Das würden wir sicherlich noch konsequenter tun, wenn eine Schließung unabwendbar wäre. Manche würden das dann radikal nennen, das sind wir gewohnt.
Die Lieferungen laufen noch bis 2032. Mögliche Interessenten dürfte das Abspringen des Hauptabnehmers beunruhigen.
Wir wissen, dass eine Zukunft von HKM auch jenseits der Belieferung von Thyssen-Krupp Steel Europe möglich ist. Markt und Mengen in Europa wären auf jeden Fall ausreichend vorhanden, und man würde nicht einmal in Konkurrenz zu unseren heutigen Eigentümern treten.
Für die Umstellung auf »grünen« Stahl erhielt Thyssen-Krupp bereits Milliardensummen vom Staat. Dennoch sollen Stellen vernichtet werden. Wie passt das zusammen?
Betrachtet man nur die Transformation hin zur Produktion zu grünem Stahl, wird bei allen Technologiewechseln rationalisiert. Hierauf aber hat die IG Metall immer Antworten gegeben, wie man technischen Fortschritt mit Beschäftigungs- und Standortsicherung verbinden kann. Thyssen-Krupp verkündete aber auch das Senken der Gesamttonnage und -produktion um mehrere Millionen Tonnen im Jahr. Dafür werden alle Verantwortlichen sozialverträgliche Lösungen finden müssen, andernfalls droht eine Eskalation.
Marco Gasse ist Vorsitzender des HKM-Betriebsrates
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