Werner d’Arc des Tages: Didi Hallervorden
Von Felix Bartels
Wokeness und Provokateur: ein Stück wie von Beckett. Was wäre sie ohne ihn, was er ohne sie? Zum Handwerk gehört Klappern und Flennen danach. Hatte Hallervorden am 5. April bei der Wiederaufführung seines »Palim, Palim« kalkuliert »Zigeunerschnitzel« und »Negerkuss« gesagt, gibt er sich jetzt nachdenklich. »Aufwühlen« tue ihn, »dass Pöbler, Hassprediger und ewig nörgelnde Miesmacher die Gesellschaft spalten«. Halten wir fest: Einer, der bewusst auf Empfindlichkeiten anderer Menschen zielt, beschwert sich über Spalterei.
Man kennt die empfindlichen alten Männer, die mit den Empfindlichkeiten anderer spielen. Dieter Nuhr sah sich vor einem Millionenpublikum nicht vorkommen, Günter Grass schrieb mit letzter Tinte, dass er ja nicht schreiben dürfe. Hallervorden phantasiert, dass man ins Gefängnis komme, wenn man Nahrungsmitteln anachronistische Namen gibt. Fest ins Repertoire gehört die prospektive Selbstanzeige, Büchners »Sie werden es nicht wagen«, aber ohne »nicht«.
Der notorische Provokateur ist für gewöhnlich bauernschlau. Er ahnt, was er tut, könnte es aber nicht auf den Begriff bringen. Ebenso ahnt er, auf inhaltlicher Ebene dem Kommenden nicht standhalten zu können. Mit der prospektiven Selbstanzeige nun bereitet er sich auf den verlässlich kommenden Gegenwind vor. Der Delinquent bringt den Vorwurf selbst aufs Tableau, ehe es ein anderer tut. Was psychostrategisch nicht unschlau ist. Der Provokateur gewöhnt sich mit der Voraussage zum einen schon mal an das Kommende. Zum anderen bleibt ihm, der inhaltlich nicht wird bestehen können, eine Art sekundäre Überlegenheit. Wenn die Kritik auch trifft, so hat er sie doch wenigstens vorausgesagt. Dergestalt konvergieren in ihm geistige Überlegenheit und Märtyrerphatansie. Ein bisschen Heisenberg, ein bisschen Jean d’Arc, da steht er, der Tor, und kann nicht anders.
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