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Aus: Ausgabe vom 16.04.2025, Seite 8 / Inland
Politisches Theater

»Die Gesellschaft wird zunehmend militarisiert«

Bühnenstück soll über Kriegsprofiteur Rheinmetall aufklären. Ein Gespräch mit Tanja Kessler und Robert Rating
Interview: Gitta Düperthal
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Theater gegen Aufrüstung: Düsseldorfer Waffenschmiede wird mit Humor vorgeführt

Gemeinsam mit der »Schnellen Kulturellen Eingreiftruppe« geht »Rheinmetall entwaffnen« auf Ostertour nach Frankfurt am Main, Kassel und Hannover. Ihr Stück heißt »Hoppla, wir sterben!«. Ist das Sarkasmus oder Satire?

Tanja Kessler: Unser ernsthaftes Stück argumentiert mit kabarettistischen Inhalten, ist insofern teilweise witzig. Es handelt von der Militarisierung durch Rheinmetall, einem der größten Waffenexporteure der Welt. Kaum ein Krieg in der Welt wurde in den vergangenen 100 Jahren nicht mit Waffen von Rheinmetall geführt. Der Titel bezieht sich auf eine in Berlin aufgeführte Geschichtsrevue des Kriegsgegners und Sozialisten Ernst Toller namens »Hoppla, wir leben!«. Nach dem Ersten Weltkrieg war er einer der führenden Köpfe der Münchner Räterepublik. In den 1920er Jahren warnte er unermüdlich vor den deutschen Faschisten. Heute erleben wir, dass die Kriegsmaschinerie wieder anläuft. Deshalb heißt unser Stück »Hoppla, wir sterben«.

Wen wollen Sie ansprechen?

T. K.: Wir wollen ein breites Publikum zu Antimilitarismus motivieren. Rheinmetall stellt sich selbst so dar, als wolle der Konzern die Demokratie retten. Das Gegenteil ist der Fall, das Unternehmen versorgt die Welt mit Waffen, besonders die BRD. Der Tod ist ja ein Meister aus Deutschland. Rheinmetall hatte nach 1945 aufgrund der von den Alliierten verbotenen Kriegsproduktion nur eine kurze Phase ziviler Fertigung. Ab 1952 produzierte der Betrieb bereits wieder Kriegsgerät.

Sie kündigen Ihr Stück so an: »Krieg und Kapitalismus, ein eng verknüpftes Trauerspiel«.

Robert Rating: Es ist ein fatales Signal, dass Deutschland wieder aufrüstet und mitwirkt, die Welt in imperialistische Blöcke aufzuteilen. Waffen von Rheinmetall landen überall auf der Welt, abgefeuert werden sie dann früher oder später.

Das Stück widmet sich zudem auch der Geschichte des antimilitaristischen Widerstands?

T. K.: Ja, denn die Gesellschaft wird zunehmend militarisiert. Kriegszugewandtheit soll erzeugt werden. Soldaten reisen in Uniform kostenlos mit der Bahn, um uns an den Anblick des Militärs zu gewöhnen. Ziel ist, den Krieg zu legitimieren. Rheinmetall bereichert sich daran: Der Konzernumsatz lag 2024 bei 9,75 Milliarden Euro. Der Aktienkurs des Unternehmens explodierte. Wir halten mit Blockaden dagegen, fordern auf zum Desertieren und dazu, politisch darüber zu verhandeln, wie wir miteinander leben wollen.

In Verbindung mit dem Theater läuft die Ausstellung »Weg der Erinnerung«. Welchem Thema ist diese gewidmet?

T. K.: Sie verweist auf das Außenlager Tannenberg des KZ Bergen-Belsen, nahe Unterlüß. Von Sommer 1944 bis März 1945 waren dort 900 osteuropäische jüdische Frauen inhaftiert, die Zwangsarbeit für Rheinmetall leisten mussten. Als die SS-Bewachung angesichts der nahenden britischen Truppen floh, erlebten die Frauen einen kurzen Moment der Befreiung. Dann aber wurden sie von ortsansässigen Nazis des Volksturms nach Bergen-Belsen deportiert, wo die Mehrzahl von ihnen starb. Bis heute negieren Rheinmetall wie die Gemeinde Unterlüß ihre Verantwortung.

Wer trägt dazu bei, Ihr Theaterprojekt auf die Bühne zu bringen?

R. R.: Zwölf Mitglieder unseres semiprofessionellen Theaters, das seit 2010 besteht, touren aktuell mit unserem antimilitaristischen Stück. Einige kommen aus künstlerischen Berufen, andere aus sozialen, ein Kellner ist mit dabei. Beim »Rheinmetall entwaffnen«-Aktionscamp 2024 in Kiel hatten wir geplant, diese Tour gemeinsam mit Aktiven dort zu organisieren. Wir greifen generell Themen politischer Protestbewegungen auf, spielen auch auf der Straße und bei Demos. Wir wollen das Theater in Bewegung bringen – und Bewegung ins Theater.

Tanja Kessler ist Aktivistin bei »Rheinmetall entwaffnen Rhein-Main«. Die Initiative organisiert gemeinsam mit der Berliner »Schnellen Kulturellen Eingreiftruppe«, S. K. E. T., von Theater X die Tour des Stücks »Hoppla, wir sterben!«. Robert Rating ist Mitglied des Ensembles.

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