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Aus: Ausgabe vom 16.04.2025, Seite 7 / Ausland
Gazakrieg

Gescheitert, oder doch nicht?

Gazakrieg: Nach Beendigung der Verhandlungen unterbreitet Israel neues Angebot. EU kündigt Gelder für Autonomiebehörde im Westjordanland an
Von Gerrit Hoekman
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Ob die neue israelische Offerte an diesen Bildern etwas ändern wird? Wohl kaum (Gaza, 14.4.2025)

Am Montag sind in der ägyptischen Hauptstadt Kairo die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza ohne eine Einigung zu Ende gegangen. Gegen Abend des gleichen Tages wurde jedoch bekannt, dass Israel wohl einen Vorschlag für eine 45tägige Waffenruhe unterbreitet hat. Der panarabische Sender Al-Majadin ist nach eigenen Angaben im Besitz einer Kopie der israelischen Bedingungen. Demnach soll die Hamas als Zeichen ihres guten Willens am ersten Tag des Waffenstillstands den US-amerikanisch-israelischen Doppelstaatsbürger und Soldaten Edan Alexander freilassen. Erst am Sonnabend hatte die Hamas ein Video von ihm veröffentlicht. Am zweiten Tag sollen dann fünf Israelis gegen 611 palästinensische Häftlinge aus Gaza ausgetauscht werden, zusätzlich zu 66 Palästinensern, die in Israel zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurden.

Israel verlangt laut dem Al-Majadin-Bericht zudem, dass die Freilassungen ohne öffentliche Zurschaustellung erfolgen. Sobald die sechs (oder zehn) Gefangenen frei sind, werde Israel humanitäre Hilfe in den Gazastreifen lassen. Gleichzeitig beginne Israel mit der »Umstationierung« seiner Armee im Gebiet Rafah und im nördlichen Gazastreifen. Am dritten Tag des Waffenruhe sollen dann Verhandlungen über die Zeit nach dem Ablauf der Waffenruhe beginnen. Bis zum siebten Tag soll die Hamas vier weitere Gefangene im Austausch gegen 54 lebenslänglich verurteilte palästinensische Gefangene sowie 500 seit dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte freilassen.

Die Hamas hält parallel dazu an ihrer Forderung fest, dass ein Waffenstillstand zum endgültigen Ende des Kriegs im Gazastreifen und zu einem Abzug der israelischen Armee führen müsse. Auch wehrt sie sich gegen eine geforderte komplette Entwaffnung. »Die Übergabe der Waffen des Widerstands ist eine rote Linie und steht nicht zur Debatte«, machte der hochrangige Hamas-Vertreter Sami Abu Zuhri noch am Montag morgen gegenüber Reuters deutlich. Dennoch kündigte die Organisation am Dienstag an, dass sie den Vermittlern »höchstwahrscheinlich« binnen 48 Stunden eine Antwort übermitteln werde.

Jegliche Illusion von einer wirklichen Einigung bei den Verhandlungen machte am Dienstag der ehemalige Botschafter des Landes in Deutschland, Avi Primor, zunichte. Premier Benjamin Netanjahu und seine rechtsradikalen Koalitionspartner bräuchten den Krieg gegen die Palästinenser, um eine Regierungskrise und daraus folgende Neuwahlen zu verhindern, unterstrich er im Interview mit dem Deutschlandfunk. Würden Neuwahlen stattfinden, würde Netanjahu diese verlieren. Meinungsumfragen zeigten, dass drei Viertel der Israelis einen sofortigen Waffenstillstand forderten, so Primor. »Ich sehe überhaupt keine Lösung: Unsere Regierung will keinen Frieden mit der Hamas schließen. Unter keiner Bedingung. Und die Hamas kann nicht nachgeben, weil Nachgeben bedeutet das Verschwinden.«

Unterdessen hat sich der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland, Muhammad Mustafa, am Montag in Luxemburg mit Außenministern der EU getroffen. Was im Moment in Gaza stattfinde, sei nicht nur ein Krieg, sondern der Versuch, ein Volk und seine gerechte Sache auszulöschen, sagte er. Es könne keinen dauerhaften Frieden geben, ohne dass Israel für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werde, so Mustafa laut WAFA auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas. Die für die Mittelmeerregion zuständige EU-Kommissarin Dubravka Šuica kündigte ein Hilfspaket der EU in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für die Palästinensische Autonomiebehörde ebenso wie eine Plattform für Geberländer an. Die Gelder sollen innerhalb von zwei Jahren ausgeschüttet werden; mehr als ein Drittel ist als direkte Budgethilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde gedacht.

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