Verwässertes Pandemieabkommen
Von Niki Uhlmann
Circa eine Milliarde Infizierte, mindestens 22 Millionen Tote und ein noch ungekanntes Ausmaß von Langzeitschäden: Vor fünf Jahren brach die Coronakrise über eine völlig unvorbereitete Weltgesellschaft herein. Damit das nie wieder geschehe, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO, World Health Organisation) vor drei Jahren auf dem Höhepunkt der Verheerung Verhandlungen über ein internationales Pandemieabkommen aufgenommen. Nun steht es vor der Finalisierung. Im Mai soll darüber abgestimmt werden.
Vorgesehen sind »gemeinsame Forschungs- und Entwicklungskapazitäten«, »Erleichterungen« des Technologietransfers und »Einrichtung einer globalen Lieferkette« sowie die »Mobilisierung globaler Arbeitskräfte« und ein »finanzieller Koordinierungmechanismus« für »Notfälle im Gesundheitswesen«, teilte die WHO am Mittwoch mit. »Der Multilateralismus ist lebendig«, kommentierte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Doch vieles bleibt reichlich vage. So sei die WHO nicht befugt, »nationale Gesetze oder Politiken anzuordnen«, hieß es weiter. Wie mit Reisen, Impfungen und Shutdowns umgegangen wird, bleibt somit den einzelnen Staaten überlassen. Ebenso sei die zentrale Frage, wie ärmere Länder mit Impfstoffen oder Medikamenten versorgt würden, bislang ungeklärt, berichtete tagesschau.de gleichentags. Die Antwort soll in einem noch auszuhandelnden Anhang des Vertrags festgehalten werden.
Dabei sind Konflikte programmiert. Viele Industrien haben während, einige dank der Coronakrise satte Extraprofite eingefahren, die die jeweils besteuernden Staaten nicht missen wollen. Zu ihnen gehört die BRD, Heimatland des Pharmakonzerns Biontech, der mit seinem natürlich mit Patent versehenen Impfstoff Reibach machen konnte. In den USA – ebenso Standort einiger Pharmariesen – hat Donald Trump bereits im Januar per Präsidialdekret den Rücktritt aus der WHO angeordnet. Sie beteiligen sich nicht mal mehr an den Verhandlungen.
Die BRD habe sich »nachdrücklich dafür eingesetzt, dass der Technologietransfer für die Inhaber von Technologien freiwillig ist« und wolle die aktuelle Fassung des Abkommens so verstanden wissen, gab die deutsche Vertreterin am Mittwoch laut dem Portal Health Policy Watch (HPW) zu Protokoll. Damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass Staaten das Pandemieabkommen ratifizieren und umsetzen, lautete die Begründung. Im Klartext: Akzeptiert werden nur Regelungen, die nicht zum Nachteil der heimischen Multis sind.
»Ein Großteil des Abkommens wurde verwässert«, resümierte HPW. Wirklich lobenswert sei einzig die Bestimmung, dass die WHO während Pandemien künftig »20 Prozent der Echtzeitproduktion von Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika« erhalten soll, zehn Prozent davon als Spende. Diese würden dann tatsächlich dort ankommen, wo das Geld fehle. Südafrika hatte hierbei allerdings 45 Prozent gefordert.
Letztlich aber seien der »Schutz geistigen Eigentums und Rechtssicherheit für die innovationsbasierte Pharmaindustrie unerlässlich«, wurde Dr. David Reddy, Direktor des Internationalen Verbandes der Arzneimittelhersteller und -verbände, zitiert. Dieser Standpunkt hat sich durchgesetzt – und mit ihm die Gewissheit, dass es Profit nur auf Kosten der Gesundheit gibt.
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