Aus Leserbriefen an die Redaktion

Mobilisierung, Aufbau, Organisation
Zu jW vom 14.4.: »Ein Armutszeugnis«
Der Analyse von Andreas Buderus ist zuzustimmen! Dies gilt insbesondere mit Blick auf den Kurs der Verdi-Führung, die sich in den Burgfrieden integriert hat.
Einen Aspekt möchte ich ergänzen: Es hat seit 2005 keine Tarifforderung der Mitglieder gegeben, in der nicht klar eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert wurde. Die Führung hat in den Verhandlungen stets dagegen entschieden: 1.10.2005 bis 31.12.2007 27 Monate, 1.1.2008 bis 31.12.2009 24 Monate, 1.1.2010 bis 29.2.2012 26 Monate, 1.3.2012 bis 28.2.2014 24 Monate, 1.3.2014 bis 29.2.2016 24 Monate, 1.3.2016 bis 28.2.2018 24 Monate, 1.3.2018 bis 31.8.2020 30 Monate, 1.9.2020 bis 31.12.2022 28 Monate, 1.1.2023 bis 31.12.2024 24 Monate.
Jetzt geplant nach »Einigung«: 1.4.2025 bis 31.3.2027 27 Monate, davon drei Nullmonate. Jede Kollegin, jeder Kollege weiß, dass Phasen der Mobilisierung immer Phasen des Aufbaus der Organisation sind. Die Mobilisierungen, selbst im Modus von zersplitterten Einzelaktionen, mal hier, mal da, mal jene, mal eine andere Gruppe zum Warnstreik aufgerufen, haben die Kampfbereitschaft der Kolleg/innen unter Beweis gestellt. Dagegen richtet sich der Kurs einer Führung im Burgfrieden: Wie der Vorsitzende am 8. März in der Augsburger Allgemeinen – ohne jedes Mandat! – zu den Kriegskrediten erklärt, »finde ich richtig«. Wir stehen vor notwendigen und harten Kämpfen für die Rückeroberung der Unabhängigkeit unserer Gewerkschaften.
H.-W. Schuster, Düsseldorf
Im Sinne Lassalles
Zu jW vom 14.4.: »Ein Armutszeugnis«
Marx hat zur Gewerkschaftsarbeit Grundsätzliches und nach wie vor Richtiges gesagt. Die opportunistischen Gewerkschaftsführer haben das offenbar nicht gelesen und agieren eher im Sinne Lassalles: Die da oben wollen doch auch bloß das Gute. Wir müssen mit denen reden. Was kommt raus: Weniger als die Rentner ohne jeden Streik automatisch jedes Jahr im Juni zugesprochen kriegen. Freilich freue ich mich als Rentner darüber. So soll es auch bleiben. Aber ich habe keine Kinder mehr großzuziehen oder ein Haus abzubezahlen. Deswegen sind 27 Monate Laufzeit bei Zuwächsen von unter drei Prozent pro Jahr inakzeptabel.
Wolfgang Schlenzig, Berlin
Mehr als nur ein Hobby
Zu jW vom 8.4.: »Straßenverkehr bremst Energiewende aus«
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ein starkes Stück, bei der Aufzählung der Alternativen zum Autoverkehr den Fahrradverkehr, die – nach dem Laufen – umweltfreundlichste Fortbewegungsart, zu »vergessen«. Das zeigt sehr anschaulich dessen Diskriminierung, er wird einfach nicht mitgedacht und nicht ernst genommen. Für die meisten Politiker und Stadtplaner ist Fahrradfahren ein Hobby von ein paar Spinnern, nicht aber ein Verkehrsmittel (siehe auch Streichung aller geplanten Fahrradrouten in Berlin durch die CDU). Der Gipfel ist die Empfehlung von »Biokraftstoffen«. Es sollen also Lebensmittel (Ölpflanzen) angebaut werden, für die oft Regenwälder abgeholzt werden, um diese dann nicht zu essen, sondern zu tanken. Wer braucht solche »Experten«, wie die von der Internationalen Energieagentur (IEA)?
Klaus Büchner, Berlin
Strukturell, politisch, gesellschaftlich
Zu jW vom 11.4.: »Mehr, einfacher, günstiger bauen«
Die Behauptung, dass allein die gestiegenen Kosten für Baumaterialien das zentrale Problem beim Wohnungsbau seien, greift deutlich zu kurz. Tatsächlich fehlt es entlang der gesamten Bau- und Immobilienkette häufig am Interesse, kostengünstig zu bauen. Die Vergütungsmodelle sind in der Regel prozentual am Projektvolumen orientiert, nicht aber an sozialer Verantwortung oder der tatsächlichen Leistbarkeit für Mieterinnen und Mieter.
Ein weiterer struktureller Engpass: Die Baubranche arbeitet vielerorts noch immer im Stil traditioneller Handwerksbetriebe – kaum automatisiert, mit geringer technischer Innovationsbereitschaft. Es fehlt nicht nur an Anreizen, sondern oft auch am Willen, moderne Bau- und Fertigungstechnologien einzusetzen, die das Bauen effizienter und preiswerter machen könnten.
Auch die künstliche Verknappung von Bauland treibt die Preise weiter in die Höhe. Zwar existieren gesetzliche Vorgaben, die vorschreiben, dass erschlossene Baugrundstücke innerhalb eines bestimmten Zeitraums – in der Regel fünf Jahre – bebaut werden müssen. Doch diese Regelungen werden nicht durchgesetzt. Eine konsequente Anwendung könnte die Grundstückspekulationen unterbinden, die Bautätigkeit ankurbeln und dem Markt dringend benötigte Dynamik verleihen – auch in preislicher Hinsicht.
Ein oft unterschätzter, aber entscheidender Faktor ist zudem der gesellschaftliche Widerstand gegen sozialen Wohnungsbau in bestimmten Stadtvierteln. Gerade im Großraum Stuttgart gab es immer wieder Fälle, in denen Anwohner aktiv gegen die Ansiedlung von Sozialwohnungen vorgingen – aus Angst vor einem vermeintlichen Wertverlust ihrer Immobilien oder einer »sozialen Durchmischung«. Die Vorstellung, dass Kinder von Sozialhilfeempfängern dieselben Schulen besuchen könnten wie die eigenen, führte in manchen Fällen zu offener Ablehnung. In Baden-Württemberg ging dies sogar so weit, dass über Jahre hinweg Mittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau gar nicht erst abgerufen wurden.
Solange diese strukturellen, politischen und gesellschaftlichen Blockaden nicht ehrlich thematisiert und beseitigt werden, reicht es nicht aus, lediglich auf Materialpreise oder Baustandards zu verweisen. Eine nachhaltige Lösung erfordert einen umfassenden, ehrlichen Blick auf das Bauen – und auf das gesellschaftliche Klima, das Wohnraum für alle überhaupt erst ermöglichen muss.
Istvan Hidy (ehemaliger Bezirksbeirat), Stuttgart
Es hat seit 2005 keine Tarifforderung der Mitglieder gegeben, in der nicht klar eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert wurde. Die Verdi-Führung hat in den Verhandlungen stets dagegen entschieden.
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