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Aus: Ausgabe vom 19.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Neue asiatische Allianz

Vietnam wählt China

Hanoi und Beijing bilden vor dem Hintergrund des Handelskriegs der USA »Schicksalsgemeinschaft« und vertiefen Zusammenarbeit
Von Gerhard Feldbauer
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Die Umarmung von Xi Jinping und Pham Minh Chinh besiegelt die Schicksalsgemeinschaft (Hanoi, 15.4.2025)

China und Vietnam wollen ihre umfassende strategische Kooperationspartnerschaft ausweiten. Beide Staaten hätten vor, als Reaktion auf den von US-Präsident Donald Trump eröffneten Handelskrieg eine »Schicksalsgemeinschaft« zu bilden, hieß es während des zweitägigen Besuchs des chinesischen Partei- und Staatschefs Xi Jinping in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zu Beginn der Woche. Trump dürfte sich an dieser Partnerschaft künftig die Zähne ausbeißen.

Hanoi gibt damit seine bisherige Position auf, sich keinem Bündnis anzuschließen und bildet eine Allianz mit Beijing. Tatsächlich weiten beide Seiten ihre Kooperation zumindest ökonomisch seit Jahren aus. Der Wert des bilateralen Handels sei in den letzten drei Jahrzehnten, wie die Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) bilanzierte, um mehr als das 6.400fache gestiegen und habe im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand von über 200 Milliarden US-Dollar erreicht. Während Vietnam mit US-Zöllen von 46 Prozent belegt wird, verzollen die Vereinigten Staaten Chinas Exporte in die USA mit 145 Prozent.

Vietnam ist Chinas größter Handelspartner innerhalb des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN, Association of Southeast Asian Nations) und steht global an fünfter Stelle. Chinesische Unternehmen in Vietnam profitieren nicht nur vom Absatz vor Ort, sondern auch von 16 bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen des Landes. Diese Handelsverbindungen ermöglichen China zudem, Beziehungen zu anderen ASEAN-Ländern und darüber hinaus auszubauen und dem Druck aus Washington standzuhalten. Um den größtmöglichen Nutzen aus Vietnams Freihandelsabkommen zu ziehen, wird China mehr in Vietnam investieren.

Beispielsweise wird es den Bau einer rund acht Milliarden US-Dollar teuren Eisenbahnlinie mit Krediten unterstützen. Sie soll die vietnamesische Hafenstadt Haiphong mit China verbinden. Schon 2024 hat der chinesische Konzern Victory Giant Technology in der vietnamesischen Provinz Bac Ninh mit dem Bau einer Fabrik für Leiterplatten im Wert von insgesamt 520 Millionen US-Dollar begonnen. Der Hightechkonzern Green Precision hat im selben Jahr 120 Millionen US-Dollar in den Bau einer Fabrik investiert.

Dem vietnamesischen Finanzministerium zufolge lag China zu Jahresbeginn im Vergleich ausländischer Direktinvestitionen auf Platz drei. Hinsichtlich der Anzahl einzelner Projekte stand es sogar an erster Stelle. Mit 251 neuen Vorhaben machte der chinesische Anteil demnach fast 30 Prozent aller registrierten Projekte aus.

Die vertiefte Kooperation bezieht sich nicht nur auf den aktuellen Handelskrieg. In der gemeinsamen Erklärung zum Abschluss von Xis Besuch halten die Partner gemeinsame Reaktionen auf bis 2030 und weiter bis 2050 anstehende, grundlegende Veränderungen fest. Demnach stehe aufgrund von Umwälzungen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts eine neue Weltordnung vor der Tür, die nur durch die revolutionäre Arbeit beider Parteien und Länder gestaltet werden könne. Das sollten in rund 40 verschiedenen Sektoren unterzeichnete Abkommen unterstreichen. Diese betreffen neben dem Verkehrswesen auch den Agrarsektor und die digitale sowie »grüne« Wirtschaft.

Mit dem Besuch Xis und dieser gemeinsamen Erklärung ist den Versuchen der USA, Vietnam in seine China-Eindämmungsstrategie einzubeziehen, eine endgültige Abfuhr erteilt worden. Die vietnamesische Seite habe auch ihre entschlossene Unterstützung für Beijings Ein-China-Politik bekräftigt, berichtete VNA. Demnach ist »Taiwan ein untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums«, und die Regierung in Beijing die einzig legitime Vertretung Chinas inklusive Taiwans.

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