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Aus: Ausgabe vom 24.04.2025, Seite 4 / Inland
Deutscher Evangelischer Kirchentag

Kirchentag ohne Nakba-Ausstellung

Niedersachsen: Präsidium schließt Verein von evangelischem Großevent aus
Von Sabine Kebir
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Lässt nicht jeden rein: Werbeplakate für den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover (31.3.2025)

Es reichte offenbar aus, lediglich eine Ausstellungsbroschüre für Besucher des Deutschen Evangelischen Kirchentags (DEKT) vor zwei Jahren zugänglich gemacht zu haben, damit der Verein »Flüchtlingskinder im Libanon« e. V. bei dem diesjährigen Großevent gänzlich ausgeschlossen wird. Der in der kommenden Woche vom 30. März bis 4. Mai in Hannover stattfindende DEKT steht unter dem Motto »Mutig – stark – beherzt«. In der Presseerklärung zu seinem Ausschluss kontert der Verein, es sei alles andere als »mutig«, wenn das Präsidium offensichtlich noch immer dem ungerechtfertigten Vorwurf von israelbezogenem Antisemitismus ausweichen wolle.

Nicht »stark«, sondern »autoritär« sei auch die Haltung, jedes Gespräch mit einem Verein abzulehnen, mit dem über viele Jahre erfolgreich zusammengearbeitet wurde. Und es sei auch nicht »beherzt«, sondern »herzlos«, wenn das aktuelle Kirchentagspräsidium »echte Anteilnahme« an den bis heute andauernden Vertreibungen und der Entrechtung von Palästinenserinnen und Palästinensern vermissen lasse. Befremdlich sei auch, dass man die Christen unter den Palästinensern offenbar völlig vergessen habe.

Die 2008 von »Flüchtlingskinder im Libanon« kuratierte Wanderausstellung mit dem Titel »Die Nakba. Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948« war unter anderem vom Evangelischen Entwicklungsdienst finanziell unterstützt worden und seit 2010 auf allen Evangelischen Kirchentagen präsent gewesen. Obwohl die Ausstellung unter Mitwirkung namhafter deutscher und auch israelischer Historiker zusammengestellt und immer wieder überprüft und korrigiert wurde, durfte sie unter dem Vorwand der Einseitigkeit beim Kirchentag 2023 in Nürnberg schließlich nicht mehr gezeigt werden.

Der Verein konnte lediglich einen Stand errichten, hatte aber ausdrücklich die Erlaubnis erhalten, auf die Nakba hinzuweisen. Dass das durch das Auslegen der Ausstellungsbroschüre geschah, war am Eröffnungstag durch zwei kontrollierende Mitarbeiterinnen des Kirchentags zur Kenntnis genommen und nicht beanstandet worden. Die damals vom Verein organisierte Veranstaltung mit Aleida Assmann zog an die 1.000 Besucher an, wodurch belegt ist, dass das Interesse vieler Kirchentagsteilnehmer an der Geschichte des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern groß ist.

In Halle 17 wird nun eine Ausstellung mit Fotos von Ursula Mindermann über palästinensische Flüchtlingsschicksale gezeigt. Dies stellt allerdings ein schwaches Alibi der Kirchentagsleitung für den Ausschluss der Nakba-Ausstellung dar. Gerade weil sich der israelisch-palästinensische Konflikt in den zurückliegenden eineinhalb Jahren noch einmal extrem verschärft hat und die teils mit Faschisten besetzte israelische Regierung eine erneute Vertreibung von diesmal zwei Millionen Palästinensern nicht nur androht, sondern vorbereitet, wäre ein Verweis auf die lange Geschichte der Nakba gerade von christlicher Seite äußerst wichtig. In der Haltung des Präsidiums ist aber nicht einmal Opportunismus gegenüber der deutschen Regierungspolitik zu erkennen, die zwar konkret nichts gegen die aktuellen Vertreibungspläne unternimmt, sie aber zumindest verbal ablehnt.

Beherzter als die Leitung des diesjährigen Kirchentages der Protestanten war jedoch die Botschaft des Oberhaupts der Katholiken. In seiner letzten Ansprache zu Ostern bekundete der kurz darauf verstorbene Papst Franziskus sowohl »den leidenden Christen in Palästina und Israel« als auch »dem gesamten israelischen und palästinensischen Volk« seine mitfühlende Nähe. Indem er feststellte, dass »der schreckliche Konflikt weiterhin Tod und Zerstörung bringt und eine dramatische und unwürdige humanitäre Situation« geschaffen habe, verwies er auf die besondere Verantwortung Israels für die aktuelle Situation. Auch rief er zu ernsthaften Anstrengungen auf, damit sich das »Licht des Friedens« über »das gesamte Heilige Land« ausbreite.

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