Gegründet 1947 Donnerstag, 24. April 2025, Nr. 95
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Anklage gegen den Krieg«

Zu jW vom 17./18.4.: »Alles nur Theater«

Stellt man die Nachkriegszeit, in der »Warten auf Godot« entstand, in Rechnung, die Millionen Hingemordeten des deutschen Kolonialkrieges gegen Osteuropa und die Sowjetunion (und die des Krieges Japans gegen China), »all die Millionen«, wie Estragon herausschreit, dann kann man das Stück mit den beiden seelisch und körperlich verheerten Hauptfiguren auch als eine einzige Anklage gegen den Krieg lesen. Mich hat es beeindruckt.

Walter Lambrecht, Rostock

Verweigertes Gedenken

Zu jW vom 17./18.4.: »Zurück bleiben die Kränze«

Auf sowjetischer Seite kämpften damals Soldaten, Offiziere, Generale aus allen 15 Sowjetrepubliken, auch Ukrainer. Sie kämpften gemeinsam gegen einen Aggressor, ohne dass sie nach Nationalitäten unterschieden wurden.

Ukrainer kämpften auch auf seiten der deutschen Wehrmacht, in der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (galizische SS-Division Nr. 1), die auch an den Massenmorden an den Juden in Babi Jar beteiligt war. »Die Mannschaften wurden vorwiegend vom Melnyk-Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten gestellt«, heißt es im deutschen Wikipedia zur genannten Division.

Unser Auswärtiges Amt hat die inzwischen bekanntgewordene Empfehlung gegeben, russische und belarussische Vertreter für das Gedenken an die Toten dieses sinnlosen Schlachtens in einem bereits verlorenen Krieg nicht zuzulassen. Wie geschichtsvergessen ist denn das? Weiß das Auswärtige Amt Deutschlands, dass mit einer solchen Empfehlung die Toten entehrt werden? Indem man ihnen die Ehre des Gedenkens verweigert, macht man ihren sinnlosen Tod noch sinnloser. Außer toten sowjetischen Russen liegen hier auch tote sowjetische Ukrainer, Kasachen, Georgier und andere Soldaten des Vielvölkerstaats Sowjetunion. Und viele deutsche junge Männer. Und möglicherweise auch ukrainische Nationalisten ihrer galizischen Waffen-SS-Division.

In meiner Regionalzeitung wird Russland bereits als Feind bezeichnet. Vielleicht müssen wir dann auch alle Denkmäler und Friedhöfe schleifen, so wie die regierenden Nationalisten in der Ukraine es bereits geschafft haben, alles Russische ungesehen zu machen? Bereitet man uns bereits wieder auf einen großen Krieg vor gegen ein großes Land?

Claus Dobberke, Potsdam

»Planspiele gen Osten«

Zu jW vom 17./18.4.: »«Triage» im Brückenbau«

Die Brücken in der Republik sind nicht erst seit gestern marode. Daran hat sich die letzten 30 Jahre niemand gestört. Die möglicherweise verbreitete Annahme aber, dass sich heute ohne den Einsturz der Dresdener Carolabrücke auch weiterhin niemand von der so volksnahen »politischen Mitte« an diesem Brückeneinsturzdilemma stören würde, ist nicht begründet. Denn inzwischen gibt es ja die Einheitsfront zur Rettung des Vaterlandes im Allgemeinen und der deutschen Rüstungsindustrie im Besonderen, die in ihren Planspielen gen Osten nun mal zentral auf ausgebaute Autobahnen samt ordentlichen Brücken setzt. Den Bürgermeistern und Landräten mit gefährdeten Brücken sei im Interesse einer beschleunigten Finanzierungszusage aus dem Rüstungstopf empfohlen, auf ihre Checkliste der Priorisierung ihres Brückenobjektes den Gewinn an Minuten für den Weg unserer hochmodernen Panzer an die Front aufzunehmen. Ob da Magdeburg noch dabei wäre?

Tilmann Krogoll, Gerlingen

Metamorphose

Zu jW vom 19.–21.4.: »Kriegstüchtiger des Tages: Stadtrat Zwickau«

Als Wähler fühlt man sich als ohnmächtiger Gast in einer Achterbahn zwischen politischem Hoch und Tief, zwischen stetiger Hoffnung und Enttäuschung. Die Zwickauer Schausteller des BSW im Stadtrat durchlaufen nunmehr eine politische Metamorphose. Sie mutieren von unnachgiebigen Kämpfern für eine friedfertige Gesellschaft zu Liebedienern eines zutiefst kriegsertüchtigenden Beamtentums. Sie unterwerfen sich mit der Zustimmung zur Rücknahme eines friedenstiftenden Ratsbeschlusses den bürgerlich-staatserhaltenden und demokratiefeindlichen Mechanismen. Sie reden der Kommunalaufsicht nach dem Munde und führen die sogenannte Selbstverwaltung der Kommune ad absurdum. Reumütig erkennen sie die durch den bürgerlichen Staat selbst geschaffenen Regeln zum Erhalt des nach Kriegstüchtigkeit strebenden Staates an. Damit wird die eklatante programmatische Schwachstelle des BSW überdeutlich. Die Ursachen von Rüstung und Kriegen, der imperialistische Staat und seine Strukturen, werden entweder nicht gesehen oder bewusst ignoriert. Warum nur? Ohne konsequenten Widerstand, ohne die Überwindung bürgerlicher Machtstrukturen und Standhaftigkeit bei der praktischen Umsetzung von friedens- und sozialpolitischen Wahlprogrammen wird es keine gesellschaftspolitischen Veränderungen zum Guten geben. Ein Kotau vor den Herrschenden wird uns den gesellschaftlichen Frieden nicht geben.

Raimon Brete, Chemnitz

Geht uns schon etwa an

Zu jW vom 16.4.: »Planet im Hitzestress«

Leider gibt es auch unter denen, die sich als links und demnach als gesellschaftlich progressiv betrachten, nicht wenige, die das mit dem menschengemachten Klimawandel auf die leichte Schulter nehmen. Egal, was die Wissenschaft herausfindet, entweder gibt es ihn nicht oder er sei nur eine Erfindung interessierter Gruppen des Kapitals. Die Alarmsignale, die die geschundene Natur aussendet, sind inzwischen unüberhörbar, können nicht übersehen werden. Sie bedeuten im Kern nichts anderes als: Naturgesetze sind nicht verhandelbar. Entweder man richtet sich nach ihnen. Oder man richtet sich zugrunde. Dem Kapital mit seinen kurzfristigen Profitinteressen ist das egal. Uns dagegen geht das schon etwas an. Dringender denn je ist eine Gesellschaft, die sich von wissenschaftlicher Einsicht in ihre natürlichen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen leiten lässt. Die weitere Jagd nach dem Mammon führt die Menschheit mit Sicherheit nicht in eine lebensbejahende und lebenswerte Zukunft. Im Gegenteil.

Joachim Seider, Berlin

Die Alarmsignale, die die geschundene Natur aussendet, sind inzwischen unüberhörbar, können nicht übersehen werden.

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