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Aus: Ausgabe vom 25.04.2025, Seite 6 / Ausland
Konflikt im Maghreb

Verleumdung eingestanden

Westsahara: Washington Post korrigiert Artikel über Polisario-Front. UN-Gesandter fordert Offenlegung von »Autonomieplan«
Von Jörg Tiedjen
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Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt: Die Außenminister Marokkos und Spaniens in Madrid (17.4.2025)

Es ist auf den ersten Blick nur eine unscheinbare Notiz. Doch inhaltlich hat sie es in sich. In einer knapp »Korrektur« überschriebenen Meldung in der Washington Post (WP) vom Mittwoch wird nämlich eingestanden, dass der Inhalt eines Anfang der vorigen Woche erschienenen Leitartikels nicht geprüft worden sei. Vordergründig ging es in ihm um Versuche der syrischen »Übergangsregierung«, eine Schmuggelroute in den Iran zu schließen. Doch wie beiläufig wird behauptet, dass eine Gruppierung, die sonst kaum jemand mit Syrien verbindet, die Westsahara-Befreiungsfront Polisario, zu einem von Iran unterhaltenen Netzwerk von »Stellvertretergruppen« gehöre. Nun würden immer mehr Polisario-Kämpfer in Syrien verhaftet, nachdem sie den gestürzten Präsidenten Baschar Al-Assad unterstützt hätten.

Allerdings haben die Autoren es »unterlassen, eine Stellungnahme der Polisario-Front einzuholen«, wie es in der Richtigstellung vom Mittwoch heißt. Diese weise »jegliche Verbindung zu Iran zurück« und betone, dass die »Behauptung, die Polisario würde ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die Besetzung durch Marokko den Rücken kehren, um sich einem Konflikt zuzuwenden, in dem sie nichts zu gewinnen hat, nicht nur unlogisch ist, sondern auch einen Affront gegenüber der Würde und Entschlossenheit eines Volkes darstellt, das für seine Freiheit kämpft«. Nicht zuletzt hat die 1973 gegründete sozialistische Polisario-Front wenig ideologische Schnittstellen mit der sechs Jahre später ausgerufenen Islamischen Republik Iran.

Der Hintergrund des Propagandabeitrags liegt auf der Hand. Offensichtlich reicht es dem marokkanischen Außenminister Nasser Bourita nicht, dass sein US-amerikanischer Amtskollege Marco Rubio bei einem Treffen Anfang des Monats in Washington die von Donald Trump am Ende seiner ersten Amtszeit abgesegnete Bestätigung der marokkanischen Ansprüche auf die Westsahara wiederholt hat. Rabat will erreichen, dass die Polisario-Front von der US-Regierung als »Terrororganisation« gelistet wird. Dafür ist ihre Kennzeichnung als »Geschöpf Irans« oder auch »Russlands« der beste Weg – der republikanische Kongressabgeordnete Joe Wilson hatte noch vor Erscheinen des WP-Beitrags bekanntgegeben, dass er eine Gesetzesinitiative gestartet habe, damit »Iran und Putin nicht über die Polisario in Afrika Rückhalt gewinnen«, wie er auf X schrieb.

Was die EU angeht, so hat der Europäische Gerichtshof erst im Oktober in einem endgültigen Urteil bestätigt, dass die Polisario die legitime Vertretung des sahrauischen Volkes ist, das wiederum einen unveräußerlichen Anspruch auf Selbstbestimmung hat. Das verhindert allerdings nicht, dass auch in Deutschland Artikel in der Presse erscheinen, die die These von der Polisario als »Terrororganisation« verbreiten. So im November in Springers Welt. CDU-Chef Friedrich Merz nahm das zum Anlass, eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Doch die Antwort der Ampel fiel knapp aus: Ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über Beziehungen der Polisario-Front zu Iran vor.

Während in Frankreich eine von der extremen Rechten vorangetriebene Kampagne gegen Algerien tobt, den bedeutendsten Unterstützer der Polisario-Front, hat Spaniens Außenminister José Manuel Albares vergangene Woche bei einem Besuch Bouritas in Madrid wiederholt, dass der von Marokko hochgehaltene »Autonomieplan« für die Westsahara der »glaubwürdigste« Weg sei, den dortigen Konflikt beizulegen. Dabei gibt es allerdings einen Haken. Der UN-Sondergesandte für die Westsahara, Staffan de Mistura, hat Marokko schon mehrfach aufgefordert, das Vorhaben endlich zu erläutern. Doch die marokkanische Regierung weigert sich nicht nur, einen konkreten »Plan« vorzulegen. Mehr noch wiederholte Außenminister Bourita laut der Infoseite Yabiladi: »Die einzelnen Punkte werden ausgeführt, sobald sich alle Parteien darauf geeinigt haben, dass Autonomie die einzige Basis für eine Lösung ist.« Das heißt: Dank seiner Verbündeten in Madrid, Paris und Washington glaubt Marokko, seine Position sei unverhandelbar.

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