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Aus: Ausgabe vom 25.04.2025, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Zweifaches Gedenken

Palästina-Solidaritätsbewegung ruft zu Protesten gegen Gazakrieg auf. Israel erinnert an die Opfer des Holocaust
Von Gerrit Hoekman
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Protest gegen den Gazakrieg war in der Gedenkstätte Auschwitz unerwünscht (Oświęcim, 24.4.2025)

Ein Bündnis von Gruppen der Palästina-Solidarität hat diesen Freitag zum »Globalen Tag für Gaza« erklärt. Weltweite Kundgebungen und Aktionen scheinen bitter notwendig, denn das Massaker in dem Küstenstreifen findet kaum mehr Aufmerksamkeit. Allein am Donnerstag morgen wurden lokalen Behörden zufolge mindestens 26 Menschen von der israelischen Armee getötet. Darunter viele Frauen und Kinder. Zehn Tote gab es bei einem Luftangriff auf eine Polizeistation in Dschabalija, berichtete Reuters. Israel behauptet, darin habe sich eine Kommandozentrale der Hamas und des mit ihr verbündeten Islamischen Dschihad befunden.

Bei drei Angriffen auf Khan Junis wurden nach Behördenangaben mindestens sieben Menschen getötet. Unter ihnen eine Mutter mit ihren beiden Kindern und zwei weitere Minderjährige. Aus dem Zentrum des Gazastreifens wurden demnach sechs Todesopfer gemeldet, unter anderem zwei Frauen und zwei Kinder. Bei einem Bombenabwurf auf ein Wohnhaus in Gaza-Stadt wurden ein Elternpaar und vier Kinder getötet.

Es ist erstaunlich, dass die israelische Luftwaffe weiterhin Ziele findet. Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) liegen nämlich bereits mehr als 90 Prozent der Gebäude in Schutt und Asche oder sind beschädigt. Laut UNO erlebe Gaza eine deutliche militärische Eskalation und eine beispiellose humanitäre Krise, die sich weiter verschärfe. Seit 50 Tagen lasse Israel kein Wasser, keine Nahrungsmittel und keine medizinische Versorgung in den Küstenstreifen. Die Folge sei eine stetig schlimmer werdende Unterernährungsrate bei Kindern.

Israel gedachte am Donnerstag der sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust. Um zehn Uhr Ortszeit heulten überall in Israel zwei Minuten lang die Sirenen. Heute leben nur noch 120.000 Menschen in Israel, die den Horror überlebt haben. Auch in Polen wurde an den Holocaust erinnert. Bei dem traditionellen drei Kilometer langen »Marsch der Lebenden«, der vom Konzentrationslager Auschwitz ins Vernichtungslager Birkenau führt, nahmen 80 Überlebende der Schoah sowie der israelische Staatspräsident Isaac Herzog teil.

Israel werde den Krieg weiterführen, bis die Hamas zerschlagen sei und alle Geiseln zurückgekehrt seien, hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch abend in seiner Rede in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gesagt. Netanjahu verglich die Hamas mit den deutschen Nazis. Wie diese habe die Hamas die Vernichtung des jüdischen Volks zum Ziel. Entsprechend dieser Regierungslinie liefen am Donnerstag auch zehn ehemalige Gefangene der Hamas den »Marsch der Lebenden« mit.

»Es war richtig, hierherzukommen, die Geschichten zu hören, die Bilder und die Ausstellungsstücke zu sehen, die Berge von Brillen«, sagte Shelly Shem Tov, die Mutter des von der Hamas freigelassenen Gefangenen Omer Shem Tov, laut Times of Israel unter Tränen. Das erinnere sie an den 7. Oktober 2023. Sie denke an »eine Mutter, die ihrem Kind während des Holocaust sagte, es solle sich in einem Schrank verstecken, genau wie sie es am 7. Oktober taten«. Ihr Sohn sei freigekommen, aber andere seien noch in Gefangenschaft. »Wir müssen sie nach Hause zurück- und unsere Nation wieder in Ordnung bringen.«

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas forderte am Mittwoch in einer Rede auf dem Treffen des Exekutivkomitees der PLO in Ramallah die Hamas auf, die Verwaltung des Gazastreifens an die von seiner Fatah-Fraktion dominierte Autonomiebehörde zu übergeben und ihr alle Waffen auszuhändigen. »Die Hamas hat der kriminellen Besatzung Vorwände für ihre Verbrechen im Gazastreifen geliefert, allen voran die Geiselnahmen«, zitierte die Onlineausgabe des Senders Al-Dschasira am Donnerstag den Präsidenten. »Ihr Hundesöhne, gebt her, was ihr habt, und holt uns aus dieser Tortur heraus!« Der hohe Hamas-Funktionär Basim Naim warf Abbas am Donnerstag vor, dem palästinensischen Volk »die Schuld für die Verbrechen der Besatzung« in die Schuhe schieben zu wollen.

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