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Aus: Ausgabe vom 25.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Fahrzeugindustrie

KTM weiter auf Schlingerfahrt

Oberösterreich: Abermals Produktionsstopp bei Zweiradhersteller in Mattighofen. Lieferengpässe, Arbeitszeitverkürzung und Einkommensverluste für Beschäftigte
Von Oliver Rast
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Fahrbarer Untersatz im Vollspeed bei der Motocrossweltmeisterschaft (Pietramurata, 12.4.2025)

Die abermalige Hiobsbotschaft kam per Video. Auf der Leinwand erschien Gottfried Neumeister, der Chef des Motorradproduzenten KTM aus Oberösterreich (OÖ), so der ORF am Donnerstag. Der »Botschafter« verkündete der Belegschaft im Stammwerk in Mattighofen gleichentags zur Frühschicht folgendes: Produktionsstopp ab Mai für drei Monate, 30-Stunden-Woche für Beschäftigte samt Einkommenseinbußen. Maßnahmen, auf die sich Unternehmensvorstand, Insolvenzverwalter und Betriebsrat im Rahmen einer neuen Betriebsvereinbarung verständigt hätten. Damit sollen Arbeitsplätze trotz Sanierungsverfahren erhalten bleiben, hieß es.

Das Maßnahmenbündel wurde laut Neumeister wegen Lieferkettenproblemen geschnürt. Es fehle schlicht an Bauteilen, um weiterproduzieren zu können. Weshalb? KTM hatte im vorigen November Insolvenz angemeldet. Ein milliardenschwerer Schuldenberg lastet auf der Tochterfirma des KTM-Mutterkonzern Pierer Mobility. Bereits zum Jahreswechsel stand die Fertigung in Mattighofen still, »bevor sie ab 17. März schrittweise wieder hochgefahren wurde, und zwar mit Hilfe von Geldspritzen des indischen KTM-Partners Bajaj«, berichtete der Standard am Donnerstag. Im insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahren dürfen betroffene Firmen 90 Tage lang keine neuen finanziellen Verpflichtungen eingehen. Der Zweiradhersteller musste auf eigene Lagerbestände und die der Zulieferer zurückgreifen. Längst sind die Depots leer, und nun stockt der Nachschub. Zulieferer sind verunsichert, können aufgrund des geringen Vorlaufs Fristen nicht einhalten, erfuhr der ORF »aus internen Kreisen.«

Und die Zeit drängt. Das Pleiteunternehmen braucht mindestens 600 Millionen Euro, um Maßgaben aus dem Sanierungsplan zu erfüllen und weiterexistieren zu können. Rasch, bis 23. Mai. Denn allein die Forderungen der Beschäftigten im KTM-Insolvenzverfahren belaufen sich auf 22 Millionen Euro, Gläubiger fordern rund zwei Milliarden Euro.

Apropos Beschäftigte. Hunderte der ehemals 3.500 Kollegen in Mattighofen haben im Laufe der Insolvenz ihren Job verloren. Die Arbeiterkammer OÖ mit dem Präsidenten Andreas Stangl wollte am Donnerstag gegenüber jW keine Stellungnahme abgeben. Auskunftsfreudiger war hingegen der Geschäftsführer der ÖGB-Einzelgewerkschaft für Angestellte in der Privatwirtschaft GPA in OÖ, Wolfgang Gerstmayer. Klar, die Verunsicherung in der Belegschaft sei groß. Denn die Beschäftigten blieben jetzt das zweite Mal binnen weniger Monate produktionsbedingt zu Hause. Und müssten in Zeiten der Teuerungswelle einen 20prozentigen Lohn- und Gehaltsverzicht verkraften.

Dennoch, Gerstmayer ist zuversichtlich. Der Gewerkschafter hofft auf einen Investor, »der dann die Fortführung der KTM absichert und auch den Standort in Mattighofen.« Zumal die »Sozialpartnerschaft« mit neuen Personen im Vorstand »aufgelebt« sei. Das sieht Oliver Jonischkeit anders. Das Beispiel KTM zeige das Versagen des kapitalistischen Marktes, »und wer dafür die Zeche zahlt: die Beschäftigten«, betonte der Sekretär des KPÖ-nahen Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) im ÖGB-Bundesvorstand am Donnerstag gegenüber jW. Die »sozialpartnerschaftliche« Lösung bedeute ein dickes Minus in der Geldbörse der Kollegen. Eben nicht verkraftbar für viele.

Wie geht es weiter? Zunächst mit der außerordentlichen Hauptversammlung der KTM-Mutter Pierer Mobility an diesem Freitag. Eilig geändert wurde am Dienstag die Tagesordnung. Von dem Beschluss einer Kapitalerhöhung um 350 Millionen Euro ist keine Rede mehr, ferner nicht von der Veröffentlichung des Jahresergebnisses 2024. Neue Schreckensnachrichten? Besser nicht.

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