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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 6 / Ausland
Befreiung vom Faschismus

Strategische Trauer

Italien: Ultrarechtsregierung nutzt Tod des Papstes, um Gedenken an Befreiung auszuhebeln
Von Fabio Nacci, Modena
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»Gegen Repression und Krieg«: Kundgebung zum 80. Jahrestag der Befreiung (Palermo, 25.4.2025)

Nach dem Tod von Papst Franziskus hat die extrem rechte Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni eine nationale Trauer von fünf Tagen beschlossen – eine beispiellose Geste, die direkte Folgen für die Feierlichkeiten zum 25. April, das Fest der Befreiung vom Nazifaschismus, hatte. Nie zuvor wurde einem Papst eine solche Ehre zuteil: Beim Tod Johannes Pauls II. 2005 dauerte die Trauer nur einen Tag.

In diesem Jahr aber reichte sie bis einschließlich 25. April, was in vielen Städten zu Absagen und Verschiebungen der für diesen Tag geplanten Feierlichkeiten führte. In Viterbo fiel die Zeremonie am Gefallenendenkmal aus, in Latina wurden offizielle Termine gestrichen, in Rovigo und anderen Orten alle Feiern »aus Respekt vor der Trauer« abgesagt. In Lucca wurde die Gedenkfeier sogar auf den 5. Mai verschoben, wodurch der historische Bezug verlorenging.

Zusätzlich verstärkte eine offizielle Weisung diesen Trend: Katastrophenschutzminister Nello Musumeci forderte die Präfekten auf, die Feierlichkeiten »mit Zurückhaltung« zu begehen. Zwar war es keine strikte Anweisung, doch die Botschaft führte vielerorts zu einer deutlichen Reduktion der Veranstaltungen.

Diese Dynamik wirft Fragen auf. Der 25. April ist für Teile der politischen Rechten, Erben der faschistischen Tradition, ein unbequemer Termin. Schon lange vermeidet es Meloni, sich klar zur antifaschistischen Bedeutung des Tages zu bekennen. Sie spricht lieber allgemein von »Freiheit« oder »nationaler Versöhnung« und spielt die Rolle kommunistischer Partisanen im Befreiungskampf herunter.

Um die Bedeutung des 25. April zu verstehen, muss man auf die Ereignisse zurückblicken, die nach dem Waffenstillstand von Cassibile am 8. September 1943 folgten. Mit der Kapitulation Italiens im Zweiten Weltkrieg begann eine dramatische Phase der Besatzung durch Nazideutschland und der Errichtung des faschistischen Marionettenstaats »Republik Salò« im Norden, dessen Anführer Benito Mussolini war. Ab diesem Moment bildeten sich in ganz Italien Widerstandsgruppen, die sich gegen die deutschen Besatzer und die verbliebenen faschistischen Kräfte erhoben. Die kommunistischen Partisanen waren entscheidend im Kampf gegen das faschistische Regime. Sie organisierten zahlreiche militärische Aktionen und setzten den Besatzern erheblichen Widerstand entgegen.

Am 25. April 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht in Italien bedingungslos. Drei Tage später wurde Mussolini von Partisanen erschossen. Der Kampf der Partisanen steht im Zentrum der Feierlichkeiten zum 25. April, die als Erinnerung an den gemeinsamen Widerstand gegen den Faschismus und die Befreiung von der Diktatur verstanden werden.

In diesem Licht erscheint die verlängerte Trauerzeit als gezielte politische Maßnahme – nicht nur als diplomatische Geste. Sie traf insbesondere linke Vereinigungen, die mit Konzerten, Festen und Kundgebungen im ganzen Land das Erbe der Partisanen hochhalten. Musumecis Appell, auf »ausgelassene Tänze und Lieder« zu verzichten, richtete sich wohl kaum zufällig genau an diese Gruppen.

Es geht hier um mehr als nur Terminfragen. Dass die Regierung Meloni so offen in das Fest des 25. April eingreift, zeigt, dass ein Teil der italienischen Institutionen bis heute Mühe hat, sich zu den Werten von Demokratie und Antifaschismus zu bekennen. Acht Jahrzehnte nach Kriegsende bleibt die Erinnerung an die Befreiung in Italien tief gespalten – Ausdruck einer historischen Bruchlinie, die nie ganz verheilt ist und das Land daran hindert, den vollen Wert seiner demokratischen Geschichte zu würdigen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Angelo V. (28. April 2025 um 13:21 Uhr)
    Auch in Ferrara, wo die Besatzer und die Faschisten die aufständische Bevölkerung hart angriffen, sind die Feierlichkeiten zum 25. April sehr offiziell verlaufen. Einige Vertreter der Institutionen haben auf der Piazza del Duomo in der einstigen Hochburg der Italienischen Kommunistischen Partei vor einer Handvoll Besuchern ihre Reden gehalten. Die Besucher durften hinter Absperrgittern aus 150 Metern Entfernung zusehen, wie der Staat die Liberazione vereinnahmte und die Menschen von jeder aktiven Teilnahme ausschloss. Zum Glück zogen eine Stunde später circa 200 Genossen mit roten und palästinensischen Fahnen durch die Stadt mit den Rufen »Siamo tutti antifascisti« und »Ora e sempre Resistenza«.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (27. April 2025 um 22:45 Uhr)
    Auch in Portugal hat die Regierung mit einer dreitägigen Staatstrauer versucht, die Gedenken an die »Nelkenrevolution« zu verhindern, ist jedoch gescheitert. https://www.abrilabril.pt/nacional/milhares-sairam-rua-para-celebrar-revolucao und https://www.abrilabril.pt/nacional/governo-tentou-apagar-o-25-de-abril-mas-o-povo-vai-estar-na-rua

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