Dann doch lieber Taxi
Von Felix Bartels
Der Bestseller der KI-Branche? Heiße Luft. 1970 sah Marvin Minsky, Professor am MIT, in »drei bis acht Jahren« Computer mit der Intelligenz eines durchschnittlichen Menschen. 2024 sagte Elon Musk voraus, dass KI 2026 menschliche Intelligenz übertreffen werde. Fair enough: Für Musks politische Freunde stimmt das vielleicht sogar.
Hohe Ziele braucht der Mensch. Wer mehr als nichts schaffen will, darf nicht weniger als alles wollen, und Entwickler können das Mögliche nur praktisch ausloten. Gleichwohl sollte man dem Marketing nicht die Definitionsmacht überlassen. Im populären Verständnis hat sich der Eindruck festgesetzt, KI sei eine Frage des langen Atems, ihr Erscheinen steht praktisch schon fest, weswegen man die gegenwärtigen Programme schon mal als intelligent klassifiziert, ohne dass die dem gerecht werden.
Mit der KI-Forschung hat auch eine kritische KI-Forschung die Arbeit aufgenommen. Zentral hierbei die Frage, was unter der Motorhaube passiert. Lange Zeit war nicht ersichtlich, wie KIs zu Ergebnissen kommen. Jüngere Studien deuten darauf hin, dass die Architektur heutiger Modelle auf eine Weise limitiert ist, die an einem Quantensprung zur veritablen Intelligenz zweifeln lässt. KI-Modelle simulieren Intelligenz vielmehr als sie zu imitieren, arbeiten heuristisch, mit einer hohen Anzahl von Faustregeln also, die die intrinsischen Eigenheiten des jeweils vorliegenden Problems nicht berühren. Anders als beim menschlichen Vollzug fehlt ein echtes Verständnis für das Problem wie auch ein Weltmodell, in das es eingeordnet wird.
Studien haben gezeigt, dass manche Modelle bei der Multiplikation von Zahlen einer bestimmten Größenordnung – etwa 200 bis 210 – andere Regeln anwenden als bei anderen Größenbereichen. Für Mathematiker der Bruch des gesamten Systems, für die KI kein Problem. Wer heilt, hat recht, oder so. Keyon Vafa von der Harvard University hat das Problem am New Yorker Verkehrssystem veranschaulicht. KI-Modelle errechneten eine große Zahl von Routen, darunter auch unmögliche, die durch Gebäude führten oder den Central Park übersprangen. 99 Prozent der Routen waren durchaus brauchbar, viele von ihnen aber übermäßig kompliziert. Die gewöhnliche Intelligenz eines Autofahrers findet ohne Mühe eine leichte Route, während die hohe Rechenleistung der Programme gewissermaßen zum Nachteil wird. Sie zeugt komplizierte Lösungen, die ein menschliches Gehirn gar nicht finden könnte. Als Vafas Team dann ein Prozent der Straßen sperrte und die KI zum Errechnen von Umwegen zwang, brach die Leistung ein.
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vom 29.04.2025