»Erlaubt sind nur Häuser im Villenstil«
Interview: Kristian Stemmler
Ihre Initiative hat sich 2024 im Hamburger Elbvorort Klein Flottbek für den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete eingesetzt – als Reaktion auf Proteste von Anwohnern gegen das Vorhaben. Im Nachbarviertel gibt es jetzt auch Widerstand gegen eine Unterkunft. Worum geht es dort?
Die Stadt Hamburg wollte auf einem öffentlichen Parkplatz im Stadtteil Hochkamp, neben der örtlichen S-Bahn-Haltestelle, eine kleine temporäre Unterkunft für Geflüchtete errichten – ähnlich wie in Klein Flottbek. Doch die Anwohner lehnten das ab.
Das für die Unterkunft vorgesehene Grundstück gehört zwar der Stadt, sie kann aber nicht darüber bestimmen. Schuld ist die sogenannte Hochkamp-Klausel. Was ist der Hintergrund?
Bei der Hochkamp-Klausel handelt es sich laut Medienberichten um ein Privileg der dort ansässigen Bewohnerinnen und Bewohner. Dieses besagt, dass ein Verein über Neubauprojekte im Viertel entscheiden darf. Hochkamp war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Ackerfläche. Dann kaufte ein Unternehmer das Gelände und ließ es zur Villensiedlung entwickeln. Verkauft wurden Grundstücke nur unter Bedingungen, deren Einhaltung der erwähnte Verein sicherstellen sollte. Dessen Satzung macht klare Vorgaben. So liegt die Mindestgrundstücksgröße bei 1.500 Quadratmetern. Und es dürfen nur Einfamilienhäuser im Villenstil gebaut werden.
Für die Geflüchtetenunterkunft hoffte die Stadt auf eine Ausnahme.
Ja, aber Berichten zufolge haben die Mitglieder des Vereins die Pläne mehrheitlich abgelehnt. Wie viele dagegen stimmten, ist unklar. Die Stadt ist an die Entscheidung gebunden, da ist die rechtliche Lage offenbar eindeutig. Dabei sucht die Stadt weiterhin dringend Wohnraum für Geflüchtete. Nach Angaben der Sozialbehörde geht der Zuzug zwar zurück, allerdings leben weiterhin rund 46.000 Menschen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung. Geflüchtete sind zum Beispiel in Hotels untergebracht.
Der Vorstand des Vereins hat sich nicht dazu geäußert, warum die Mitglieder mehrheitlich das Vorhaben abgelehnt haben. Welche Gründe vermuten Sie?
Wir kennen niemanden persönlich, der dort wohnt, unsere Vermutungen sind damit rein spekulativ. Es könnte sich dabei um wirtschaftliche Interessen handeln, wie die Sorge vor einem Wertverlust der Immobilien – die bei einer temporären Unterkunft jedoch in Frage gestellt werden sollte – oder aber politische Überzeugungen der Anwohner. Eine logische Erklärung dafür finden wir nicht.
In den noblen Elbvororten gibt es immer wieder Proteste, wenn dort Unterkünfte für Geflüchtete gebaut werden sollen. Wie erklären Sie sich das?
Als wir starteten, waren wir begeistert über den Zulauf und die Unterstützung, die wir erfuhren. Den Bewohnerinnen und Bewohnern der Elbvororte grundsätzlich mangelnde Solidarität vorzuwerfen, wäre also wohl zu einfach. Vielleicht mangelt es an Erfahrung mit Unterkünften für Geflüchtete, vielleicht an Begegnungspunkten. Jedoch lässt sich auch an den letzten Wahlergebnissen in den Vierteln ablesen, wer sich politisch für Schutzsuchende einsetzen möchte und wer nicht.
Wie sieht es in Ihrem Stadtteil aus, wo eine Unterkunft auf einem Parkplatz am Botanischen Garten errichtet werden soll?
Die Unterkunft wird im Moment gebaut, das erste Modul steht bereits. Der Stadt zufolge läuft alles nach Plan, und die Unterkunft soll im August bezugsfertig sein.
Was treibt die Mitglieder Ihrer Initiative an, sich für Geflüchtete einzusetzen?
Unsere Motive sind vielfältig, im Kern geht es um gelebte Solidarität und die Reflexion der eigenen Privilegien. Und dazu kommt das Recht auf Asyl, das wir Menschen dringend gewähren sollten, die vor Kriegen und Armut fliehen müssen. Die konkreten Unterstützungsmöglichkeiten werden wir sicher an die Bewohnerstruktur anpassen, die sich in der Unterkunft ergeben wird. Ob es dann Patenschaften für Familien werden, ein offenes Café für alle Geflüchteten und Anwohner, um Kontakte zu knüpfen, oder um konkrete Hilfe im Dschungel der Bürokratie: Das wird sich zeigen.
Marie Meyer ist aktiv bei der Initiative »Flottbek ist bunt!«
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