Verbrannte Erde
Von André Dahlmeyer
Einen wunderschönen guten Morgen! Was für Fußballtage! Internazionale Milano hat nach dem überraschend deutlichen Halbfinalaus in der Coppa Italia gegen den Lokalrivalen AC Milan am Sonntag nach der Heimpleite gegen die Roma mutmaßlich auch die Meisterschaft verzockt, so wie ich das vor einigen Wochen an dieser Stelle schon mal orakelte, weil das Restprogramm einfach für Napoli sprach. Der einzige Treffer gelang ausgerechnet dem argentinischen permanenten Fastnationalspieler Matías Soulé (Internazionale gilt traditionell, neben Atlético Madrid, als »argentinisiertester« Klub Europas). Das Triple, zuletzt 2010 mit José Mourinho als Bayernmünchenbezwinger im Camp Nou eingesackt, ist jedenfalls heuer nicht mehr erreichbar. Holen können es noch Frankreichs Meister Paris Saint-Germain, der gerade am viertletzten Spieltag gegen OGC Nizza im Prinzenpark die erste Liganiederlage (1:3) eingefahren hat. 76 Prozent Ballbesitz, 13:3 effektive Torchancen, dreimal so viel Pässe gespielt (Passgenauigkeit 91 Prozent), 17:0 Ecken – so kann’s gehen! Am 24. Mai kickt das Team von Luis Enrique im Stade de France in Saint-Denis das Finale des Coup de France gegen Stade Reims. Sollten sich die Schneckenschlachter in den Champions-League-Halbfinals gegen Arsenal durchsetzen könnte im Finale in München eine Woche später ein anderer Triple-Anwärter warten, der FC Barcelona.
Am Sonnabend freilich litten Real Madrid mit Trainer Carlo Ancelotti im Finale der Copa del Rey im Olympiastadion von Sevilla an den Katalanen. Ich bin überrascht über den Job, den Hansi Flick bei Barça macht. Zugegeben, die Drecksarbeit hat zuvor Xavi Hernández besorgt, mannigfaltig Youngster debütieren lassen, auf Teufel komm raus. Barças derzeitige Form ist auch sein Verdienst – abgesehen davon, das er neben Cruyff und Messi das größte Vereinsidol des Blaugrana ist. Als es kurz vor dem Ende der Verlängerung beim Stand von 2:2 verschärft nach dem ersten Elferballern beider Klubs nach 1985 ausschaute, unterlief Luka Modrić ein fataler Fehlpass in Strafraumnähe, Jules Koundé schaltete schnell und verstaute die Kugel beherzt unten links gegen Thibaut Courtois im Brotkasten der Königlichen. Beim anschließenden Tumult zeigte Schiri Ricardo De Burgos Bengoetxea den madrileños Antonio Rüdiger, Lucas Vázquez und dem streunenden Jude Bellingham allesamt den roten Fleppen, u. a. weil sie illegal Unrat auf den Rasen geschmissen hatten.
Am Ast zu sägen, auf dem man hockt, ist nicht ganz so helle. Fazit: Real Madrid bleibt diese Saison titellos. Ein Skandal für 49 Prozent der Fans. Wir erinnern uns: Als Jupp Heynckes 1998 mit und für Real Madrid nach 22 Jahren Titeldürre wieder die Champions League gewann, wurde er entlassen, weil die spanische Meisterschaft an Barça gegangen war. Ancelotti wird das nicht tangieren. Seit letzter Woche wissen wir, dass er wahrscheinlich neuer Nationaltrainer Brasiliens wird. Tangiert hat das Ganze indes den Lokalrivalen Atlético Madrid (51 Prozent der Fans). In der Champions League beim Elferballern von einem renitenten Skandalschiedsrichter übers Ohr gehauen (Weltmeister Julián Álvarez soll bei seinem Tritt den Ball zweimal berührt haben. Und selbst wenn: Was ist das für ein krankes Regelwerk?!), in den Halbfinals der Copa del Rey völlig überlegen an Barça gescheitert. In der Meisterschaft ganz oben mit dabei, wie immer, aber chancenlos. Was das Schlimmste war? Das Copa-Finale fand am 122. Geburtstag des Vereins statt, der, obwohl einer der besten der Welt, ebenfalls titellos bleiben wird. Madrid ist verbrannte Erde.
So wie Hamburg. Die letzten drei Spiele waren ein Fehlpassfestival. Jetzt auch noch eine Heimpleite gegen den KSC. Ich war nur einmal in Karlsruhe, 1990. Nirgendwo habe ich mich unwohler gefühlt auf der ganzen Welt. Ich schob es damals auf die RAF-History von Stadt und Gegend. Heute kann man so was buchen (karlsruhe-erleben.de). Mit zwölf Teuronen sind Sie dabei (das nächste Mal am 30. Mai, danach is, nach Udo Lindenberg, alles vorbei). Amén.
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