75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 15. November 2024, Nr. 267
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 09.06.2006, Seite 9 / Inland

EU-Richtlinie als trojanisches Pferd

Gewerkschaft warnt vor verschärftem Lohndumping, Anstieg der Schwarzarbeit und Pfusch am Bau
Die Schwarzarbeit auf Baustellen könnte in Zukunft deutlich zunehmen. Davor hat die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gewarnt. Grund sei die geplante europäische Dienstleistungsrichtlinie, auf die sich die EU-Staaten vergangene Woche geeinigt haben. »Das Schlimmste konnten wir zwar verhindern. Doch auch mit dem aktuellen Entwurf sind effektive Kontrollen auf den Baustellen kaum noch möglich«, sagte Karla Richter, Regionalleiterin der IG BAU Berlin-Brandenburg, am Donnerstag. Die Folge seien Schwarzarbeit und Lohndumping.

Auch die jetzt beschlossene Fassung der Dienstleistungsrichtlinie orientiere sich in weiten Teilen an den Vorstellungen der EU-Kommission. »Das Papier ist ein trojanisches Pferd«, so Richter. »Die Kommission hat viele kleine, unauffällige Formulierungen in ihm versteckt, um ihre Forderungen doch noch durchzusetzen. Viele sind auch in dem Kompromiß der EU-Staaten nicht entschärft worden«.

So sei das umstrittene Herkunftslandprinzip im Strafrecht von den Ministern praktisch durch die Hintertür wieder eingeführt worden. »Zwar gilt für den ausländischen Unternehmer grundsätzlich das deutsche Strafrecht. Ausnahme sind aber ausgerechnet alle Gesetze, die speziell mit seiner Dienstleistung zu tun haben«, erklärte Richter. Kriminelle Berufsausübung als solche wäre damit kaum noch verfolgbar. »Da kann ein völlig unkundiger Unternehmer Gasleitungen installieren, das wäre nicht einmal verboten. Und die Polizei könnte erst einschreiten, wenn es geknallt hat«, schilderte Richter die möglichen Folgen der Dienstleistungsrichtlinie.

Die Regionalleiterin der IG BAU appellierte an die EU-Parlamentarier, den Beschluß der EU-Staaten in dieser Form abzulehnen. Trete die Dienstleistungsrichtlinie ungeändert in Kraft, werde den schwarzen Schafen unter den Bauunternehmen nicht nur in Berlin Tür und Tor geöffnet, fürchtet Richter.(jW)

Mehr aus: Inland