Aus: Ausgabe vom 27.09.2006, Seite 12 / Feuilleton
Waidmannsheil
Wer auch immer sich bei der Bild-Zeitung für Literatur zuständig fühlt, hat eine Weile gebraucht mit der Antwort auf Grass’ Waffen-SS-Enthüllung, in der Dienstagausgabe aber zünftige »Gegenpropaganda« serviert: Ernest Hemingway, der nobelpreistragende »Freund Fidel Castros«, wurde da vermeldet, »liebte den Kitzel der Gefahr und den süßlichen Geruch des Blutes«. Deutschen Blutes. Logisch. Sonst wären die Erkentnisse, gewonnen aus »vergilbten Blätter alter Biografien«, keine halbe Seite wert gewesen. Als Kriegsberichterstatter in der Normandie sei Hemingway »ein feiger Killer« gewesen, der »wehrlose Soldaten erschoß«, 122 an der Zahl (die ohne Quellenangabe auftaucht, aber natürlich in der Überschrift steht: »122 deutsche Kriegsgefangene«). In einem Brief an seinen Verleger Charles Scribner prahle der »Prototyp des furchtlosen Machos« damit, »einen besonders frechen SS-Kraut umgelegt« zu haben (»schnell in den Bauch, und dann, als er in die Knie ging, schoß ich ihm in den Schädel«). Seiner künftigen Gattin Mary Welsh schrieb er von der Front: »Wir haben’s hier sehr nett und lustig, viele Tote, deutsche Beute«. Man ist versucht, dem guten Mann nachträglich Waidmannsheil zu wünschen. Aber er hat sich ja 1961 selbst mit dem Jagdgewehr erlegt.
(jW)
(jW)
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