Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 03.03.2007, Seite 16 / Aktion

Wir entscheiden selbst

Warum die junge Welt wann was veröffentlicht – und die anderen nicht
Von Dietmar Koschmieder
Schon die Rosa-Luxemburg-Konferenz vom Januar 2006 beschäftigte
Schon die Rosa-Luxemburg-Konferenz vom Januar 2006 beschäftigte sich mit der Situation der RAF-Gefangenen
Falls Sie noch mehr Argumente dafür brauchen, warum die junge Welt notwendig ist, dann schauen Sie einfach mal in andere Tageszeitungen. Wie dort mit ein paar einfachen Sätzen von Christian Klar und mit der Konferenz, auf der diese kundgetan wurden, umgegangen wird, belegt ein weiteres Mal den Niedergang des bürgerlich-demokratischen Systems. Inklusive seiner Medien.

Dort geht es in der Berichterstattung und Kommentierung in der Regel nicht um Christian Klars Taten in der Vergangenheit: Für diese wurde er hart bestraft und ist seit mehr als 24 Jahren weggeschlossen. In Wirklichkeit interessiert auch der angebliche Umstand, daß Klar seine Taten nicht bereue oder kein Mitgefühl für die Opfer aufbrächte, nicht allzusehr. Denn dann hätten sich die Journalisten und Politiker besser informiert. Nein, das Problem besteht darin, daß glaubhafte Reue in ihrem Sinne nur durch ein Abschwören von der revolutionären Zielstellung, durch ein Bekenntnis zum Kapitalismus erfolgen kann. Diese Haltung ist nur folgerichtig: Denn auch ihre Hauptkritik an Klars Vergangenheit war und ist ja schließlich das Ziel seines Kampfes: eine andere Welt. In vielen anderen Zusammenhängen der deutschen und internationalen Geschichte und Gegenwart akzeptieren sie blutige, terroristische Mittel durchaus. Klar und Genossinnen und Genossen haben aber drei Todsünden begangen: Sie waren gegen das System, sie kämpften bewaffnet für eine Alternative. Und sie bedrohten die Herrschenden und ihr politisches Personal physisch. Strategie, Taktik und Mittel der RAF sind auch von links zu kritisieren: Sie verkannten völlig das tatsächliche Kräfteverhältnis. Sie hätten wissen müssen, daß mit individuellem Terror Menschen getroffen werden, nicht aber das System, das schnell für Ersatz gesorgt hat. Und es war auch nicht allzu überraschend, daß ihr Kampf genau das Gegenteil dessen bewirkt hat, was beabsichtigt war: Die Herrschaftsverhältnisse wurden nicht in Frage gestellt, sondern die Herrschenden nutzten und nutzen die RAF als Vorwand, bürgerliche Demokratie weiter zu demontieren und damit ihre Macht zu stabilisieren.

Dafür brauchen sie aber gar keinen RAF-Terror. Es genügt, daß ein Gefangener sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausübt. Ihm wird mittlerweile nicht nur dieses Grundrecht abgesprochen, für dessen Wahrnehmung soll er nun hart bestraft werden. Und auch diesmal geht es nicht allein um Christian Klar oder seine konsequent antikapitalistische Haltung. Das Signal ist eindeutig: Wer so denkt und spricht, der gehört hinter Gitter, in die Psychia­trie oder gleich aufgehängt. Genau so und in dieser Reihenfolge ist das in Briefen von Bild-Zeitungslesern an die junge Welt nachzulesen, die uns in dieser Woche erreichten. Und gemeint war damit nicht Christian Klar, sondern Arnold Schölzel, Chefredakteur der jungen Welt, und die Verantwortlichen der Rosa-Luxemburg-Konferenz.

Daß sie vom Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte selbst betroffen sein könnten, das ahnen offensichtlich nur wenige Journalisten. In der Regel besteht für sie der Skandal im einfachen Umstand, daß Klar es wagt, an Diskussionen teilzunehmen und dabei eine nichtgenehme Meinung zu äußern. Und nicht in der Tatsache, daß sich dem Grundgesetz verpflichtete Politiker gleich zu Dutzenden grundgesetzwidrig äußern. Aber auch handeln: Ausgerechnet der Justizminister einer Landesregierung bricht ein Hafterleichterungsverfahren ab – explizit mit dem Hinweis auf politische Äußerungen des Gefangenen, die ebenso von jedem aufrechten Sozialdemokraten oder Christen hätten stammen können. Hier muß nichts mehr interpretiert werden, die Botschaft ist eindeutig: Ins Visier kann jeder geraden, der es wagen sollte, das kapitalistische System in Frage zu stellen.

Und die linke Presse? Taz und Neues Deutschland machen sich lustig darüber, daß die Medien die Grußbotschaft von Christian Klar als Neuentdeckung verkaufen, obwohl sie doch schon seit dem 15. Januar öffentlich zugänglich gewesen sei. Zugänglich war sie, öffentlich war sie de facto nicht. Zwar wurde der Text in der Printausgabe und im Internet, aber auch in einer Presseerklärung der jungen Welt durchaus zur Kenntnis genommen, veröffentlicht, also einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, aber hat ihn (außer der jungen Welt) aus unterschiedlichen Gründen niemand. Auch Neues Deutschland und die tageszeitung nicht. Das hängt mit einem erstaunlichen Phänomen zusammen: Je mehr Resonanz und Beachtung die Rosa-Luxemburg-Konferenz in den vergangenen Jahren gewann, desto weniger wurde über sie in den Medien berichtet. In diesem Jahr registrierten die Veranstalter erstmals über 2000 Besucher. Die taz berichtete im Gegensatz zu den Vorjahren überhaupt nicht mehr und das ND beließ es bei einer kurzen Randspalte, in der ausschließlich und nur auszugsweise über die Podiumsdiskussion berichtet wurde. Kein Wort über die Grußbotschaft von Christian Klar, aber auch kein Wort über die Beiträge aus Österreich, Brasilien, China, Kuba oder den USA.

Jetzt aber werden überall die Konferenz und die junge Welt genannt – wie noch nie in der Nach-»Wende«-Geschichte dieser Zeitung. Allerdings bedurfte es auch dazu harter Verhandlungen und Hinweise für Agenturen, Anstalten und Medien, die uns zunächst einfach als Quelle »vergessen« hatten. Und schon gibt es erste Kommentatoren, die behaupten, die junge Welt habe es nötig, einen wie Christian Klar das Wort zu geben, um aufzufallen. Wohl aus ähnlichen Motiven läßt die Zeitung wöchentlich auch Mumia Abu-Jamal aus seiner Todeszelle schreiben, nur deshalb informieren wir regelmäßig aus Kuba und Venezuela, nur deshalb sind wir gegen völkerrechtswidrige Kriege, von Jugoslawien bis zum Irak. Nur aus Marketinggründen stehen wir auf der Seite von kämpfenden Gewerkschaftern und Betroffenen vom Abbau sozialer Rechte. Selbst wenn es so wäre: Auffallen könnte man mit sowas auch nur deshalb, weil in den anderen Medien nichts oder nur wenig über diese Themen zu lesen ist. Jedenfalls werden Sie in dieser Zeitung und auf unseren Konferenzen auch künftig so manchen Text lesen oder hören, der nicht allen gefällt. Und auch in Zukunft entscheiden wir selbst, wer zu welchen Themen zu Wort kommt. Solange man uns läßt.


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