Aus: Ausgabe vom 28.04.2007, Seite 16 / Aktion
Mister X gegen jW
Von Denis Gabriel
Wie schön wäre es, wenn man nur Zeitung machen müßte. Gut, das ist anstrengend genug, vor allem wenn man die knappen Resourcen beachtet, die der jungen Welt bzw. dem Verlag 8. Mai GmbH zur Verfügung stehen. Aber so nebenbei noch umziehen, die Aboverwaltung komplett umstellen – wir haben an dieser Stelle bereits berichtet, daß dies ökonomisch (aber auch ansonsten) eigentlich über unsere Kräfte geht. Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Prozessen zu führen, über die wir nicht einmal umfangreich und vollständig berichten dürfen. Ein Vorgang ist aber in seiner Art einerseits einmalig, andererseits aber auch exemplarisch dafür, wie auf juristischem Weg versucht wird, journalistische und verlegerische Arbeit zu behindern. Deshalb skizzieren wir diesen Vorgang hier, ohne die handelnde Hauptperson mit dem Namen zu nennen. Das wurde uns nämlich untersagt. Ob das so bleiben wird, entscheidet das Kammergericht am kommenden Donnerstag in Berlin.
Jetzt droht Mister X mit einem deutlich höheren Schmerzensgeld sowie einem Ordnungsgeldantrag und verlangt die nächste Unterlassungserklärung, die die Berichterstattung über den Vorgang behindern soll. Er bekommt sie wieder nicht von der jungen Welt und beschafft sich wieder innerhalb weniger Stunden beim Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen die junge Welt, wieder ohne mündliche Verhandlung. Die junge Welt legt auch hier Widerspruch ein, aber diesmal ohne Erfolg: Das Landgericht bestätigt im Widerspruchsverfahren die einstweilige Verfügung. Da sich die junge Welt damit nicht abgefunden hat, verlangt sie die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens. Das fand am 5.April statt – und die junge Welt unterliegt: Der Richter geht davon aus, daß Mister X als Privatperson und nicht im Auftrag der Dienststelle geklagt habe und weder dieser Vorgang noch Mister X von öffentlichem Interesse sei. Gegen dieses Urteil legt nun die junge Welt Berufung beim nächsthöheren Gericht ein. Der Termin findet am kommenden Donnerstag, den 3. Mai, um 10Uhr beim Kammergericht in der Berliner Elßholzstraße statt.
Blicken Sie noch durch? Also eigentlich müßte man nun die Entscheidung der Gerichte abwarten, und ansonsten könnte die Geschichte zu Ende sein. Aber Sie ahnen es: Das ist sie natürlich noch lange nicht.
Mister X, aber auch das Berliner Landgericht legen großen Wert auf die Feststellung, daß der Vorgang die reine Privatangelegenheit des Mannes sei und deshalb niemanden zu interessieren habe. Im Kern geht es in allen Verfahren darum, ob die junge Welt sachlich und vollständig darüber berichten kann, was andere Medien und Personen über Mister X berichten (bzw. zu wissen glauben), und ob er eine Person der Zeitgeschichte ist bzw. ob an diesen Vorgängen ein öffentliches Interesse besteht. Es geht wieder einmal auch um die Existenz dieser Zeitung: Wenn sich Mister X mit seiner Position voll durchsetzen könnte, entstünden für den Verlag 8. Mai GmbH Kosten, die deutlich höher sind als die enormen, die uns gerade der Umzug verursacht. Das wiederum könnte die Existenz der jW gefährden. Aber ein öffentliches Interesse an diesem Vorgang kann das Landgericht Berlin trotzdem nicht feststellen. Bleibt die Hoffnung, daß das Kammergericht das anders sieht. Seiner Entscheidung am kommenden Donnerstag kommt eine Schlüsselrolle für die Auflösung dieser Geschichte zu. Vorläufig können Sie Ihre Spende auch in den Umzugsfonds stecken. Die junge Welt kann es so oder so gebrauchen.
Die Vorgeschichte
Der Hauptakteur dieser Geschichte ist für eine Behörde zuständig, die wir vorsichtshalber hier nicht nennen. Vielleicht wäre er ja dann zu identifizieren. Über ihn wurde zwar schon mal ein Buch geschrieben, welches und worüber, verschweigen wir Ihnen aus gleichem Grund auch lieber. Dann aber sollte er in einem Entführungsfall eine wichtige Rolle gespielt haben. Darüber berichtete die junge Welt recht nüchtern, wie viele andere Zeitungen auch, und beschreibt erneut, wie dieser Mann heißt und aussieht. Nicht ohne darauf hinzuweisen, daß er und seine Dienststellen die Vorwürfe als falsch zurückweisen und andere Behörden den Verdacht als unbegründet einstufen.Unterlassungsforderung 1
Mister X läßt das allerdings nicht kalt. Er verlangt eine Unterlassungserklärung von der jungen Welt (bzw. dem Verlag 8.Mai GmbH), und als der die nicht erhält, zieht er vor das Landesgericht in Berlin und erwirkt noch am selben Tag eine einstweilige Verfügung gegen die junge Welt. Die junge Welt legt Widerspruch ein. Um es vorweg zu nehmen: Später hebt der gleiche Richter im gleichen Landgericht die einstweilige Verfügung gegen die junge Welt wieder auf, bestätigt also deren Rechtsposition. Zwar geht Mister X in die Berufung, und trotzdem könnte die Geschichte schon hier zu Ende sein – dann wäre sie in der jungen Welt wohl nie geschildert worden, denn solche Vorgänge sind fast schon täglich Brot in dieser Zeitung. Aber die Geschichte geht weiter.Unterlassungsforderung 2
Noch bevor das Gericht diese einstweilige Verfügung wieder aufhebt, fordert Mister X von der jungen Welt eine Richtigstellung und ein außergerichtliches Schmerzensgeld in Höhe von 10000 Euro. Die junge Welt kommt auch diesen Forderungen nicht nach, berichtet aber auf der Seite 16, wo bekanntlich redaktionelle und verlegerische Umstände für die Leserinnen und Leser transparent gemacht werden, über diesen Vorgang. Zwar korrekt, aber wieder mit Namensnennung.Jetzt droht Mister X mit einem deutlich höheren Schmerzensgeld sowie einem Ordnungsgeldantrag und verlangt die nächste Unterlassungserklärung, die die Berichterstattung über den Vorgang behindern soll. Er bekommt sie wieder nicht von der jungen Welt und beschafft sich wieder innerhalb weniger Stunden beim Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen die junge Welt, wieder ohne mündliche Verhandlung. Die junge Welt legt auch hier Widerspruch ein, aber diesmal ohne Erfolg: Das Landgericht bestätigt im Widerspruchsverfahren die einstweilige Verfügung. Da sich die junge Welt damit nicht abgefunden hat, verlangt sie die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens. Das fand am 5.April statt – und die junge Welt unterliegt: Der Richter geht davon aus, daß Mister X als Privatperson und nicht im Auftrag der Dienststelle geklagt habe und weder dieser Vorgang noch Mister X von öffentlichem Interesse sei. Gegen dieses Urteil legt nun die junge Welt Berufung beim nächsthöheren Gericht ein. Der Termin findet am kommenden Donnerstag, den 3. Mai, um 10Uhr beim Kammergericht in der Berliner Elßholzstraße statt.
Blicken Sie noch durch? Also eigentlich müßte man nun die Entscheidung der Gerichte abwarten, und ansonsten könnte die Geschichte zu Ende sein. Aber Sie ahnen es: Das ist sie natürlich noch lange nicht.
Unterlassungsforderung 3 und 4
Mittlerweile hat Mister X eine dritte einstweilige Verfügung gegen die junge Welt erwirkt, wegen eines anderen Berichts über ihn. Im Kern geht es um Berichte, die über Mister X, der ja keine Person der Zeitgeschichte sein soll, in einer Zeitung im Nahen Osten erschienen sind. Diesmal klagt Mister X allerdings nicht beim Landgericht Berlin, sondern beim Landgericht Hamburg. Aber auch das Landgericht Berlin bleibt nicht unbeschäftigt. Ganz aktuell hat Mister X eine erneute Klage beim Landgericht auf eine vierte Unterlassung, Richtigstellung und Entschädigung (mindestens 20000 Euro) gestellt, wobei es hier immer noch um die Berichte der jungen Welt zum obengenannten Vorgang geht.Mister X, aber auch das Berliner Landgericht legen großen Wert auf die Feststellung, daß der Vorgang die reine Privatangelegenheit des Mannes sei und deshalb niemanden zu interessieren habe. Im Kern geht es in allen Verfahren darum, ob die junge Welt sachlich und vollständig darüber berichten kann, was andere Medien und Personen über Mister X berichten (bzw. zu wissen glauben), und ob er eine Person der Zeitgeschichte ist bzw. ob an diesen Vorgängen ein öffentliches Interesse besteht. Es geht wieder einmal auch um die Existenz dieser Zeitung: Wenn sich Mister X mit seiner Position voll durchsetzen könnte, entstünden für den Verlag 8. Mai GmbH Kosten, die deutlich höher sind als die enormen, die uns gerade der Umzug verursacht. Das wiederum könnte die Existenz der jW gefährden. Aber ein öffentliches Interesse an diesem Vorgang kann das Landgericht Berlin trotzdem nicht feststellen. Bleibt die Hoffnung, daß das Kammergericht das anders sieht. Seiner Entscheidung am kommenden Donnerstag kommt eine Schlüsselrolle für die Auflösung dieser Geschichte zu. Vorläufig können Sie Ihre Spende auch in den Umzugsfonds stecken. Die junge Welt kann es so oder so gebrauchen.
Gerichtstermin: Donnerstag, 3. Mai, 10 Uhr, Kammergericht Berlin, Elßholzstr. 30–33, Raum 147
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!