Der Generalintellekt
Von Daniel Bratanovic»Die Natur baut keine Maschinen« (Marx). Sie sind »natürliches Material, verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder seiner Betätigung in der Natur«. Ihre schiere Existenz zeigt an, »bis zu welchem Grade das allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist«. Sie sind »vergegenständlichte Wissenschaft«, deren Niveau den wirklichen Reichtum einer Gesellschaft bestimmt. Die konkreten Verlaufsformen, unter denen sich das alles vollzieht, einen Moment lang unberücksichtigt gelassen, berechtigte die Fortentwicklung der Wissenschaften und ihrer Maschinen daher durchaus zu den schönsten Hoffnungen auf zukünftige Weltgesellschaft, in der, sagen wir, selbst die »gefürchteten Unberechenbarkeiten« der Natur, »ihre Zyklone und Tornados, Regenzeiten und Trockenheiten, Temperaturstürze und Hitzewellen«, zu »Handwerkszeug des Städtebaus« werden könnten (Dietmar Dath).
Allein, so verhält es sich nicht. Im Hier und Jetzt geht alles grundverkehrt zu. Die unmittelbare Produktivkraft Wissenschaft ist unter gegenwärtigen, also kapitalistischen Bedingungen, dem Kapital »nur Mittel, um von seiner bornierten Grundlage aus zu produzieren« (wiederum Marx). Wissenschaft und Technik im Kapitalismus, soll das heißen, sind dazu da, die notwendige Arbeitszeit zu verkürzen, um die »überflüssige«, während der das Lebenselixier »Mehrwert« geschaffen wird, zu mehren (Seite 7).
Und diesem Zweck wird alles und jeder unterworfen. Der Rhythmus der Maschinen diktiert den Menschen den ihren. Die rastlos rasante Produktions- und Zirkulationsbewegung des Kapitals beschleunigt ihre Arbeit und macht auch ihrem Konsum- und Freizeitverhalten Dampf. Wer nicht unter die Räder geraten will, muss durchhalten, muss wach bleiben. Sogenannte Neuro-Enhancer, deren illegale Derivate oft den unter den obwaltenden Zuständen so viel treffenderen Namen »Speed« tragen, sollen die Helferlein sein, die genau das versprechen: Mehr Ritalin, mehr Leistung, denn auf die kommt es an (Seite 2).
Gründe, ein geschworener Feind dieser Verkehrsweise zu sein, gibt es also viele, ohne gleich Beschleunigung oder, was unter einem anderen Blickwinkel ein anderes Wort für die gleiche Sache wäre, Sprünge in der Produktivkraftentwicklung verdammen zu müssen. Neue Methoden und Mittel, die dank avancierter Wissenschaft zum Einsatz kommen, um etwa den Leuten vermöge ihrer Telefone Wohlverhalten anzuzüchten, können schon gruseln machen (Seite 8). Das spricht indes nicht gegen die Technik, sondern gegen die Bedingungen, unter denen sie zur Anwendung kommt.
Falsch wäre daher auch andererseits zu glauben, das bloße Vorhandensein einer Technik sei bereits der Vorschein neuer und besserer Verhältnisse. »Zu bedenken ist«, gibt Werner Seppmann den Anhängern eines »Computer-Kommunismus« mit auf den Weg, »dass es gesellschaftliche Ziele gibt, die sich durch einen Algorithmus nicht erfassen lassen« (Seite 6).
Es empfiehlt sich also, gründlicher darüber nachzudenken, was alles krumm und schief ist und besser gerade werden sollte, und auch darüber, wie das am besten geht, ehe vorschnell die eine und endlich gefundene Lösung in welcher Gestalt auch immer ausgerufen wird. Zum Nachdenken gehört denn auch die Auslotung des Verhältnisses von Naturwissenschaften und Marxismus (Seiten 4/5), weil dieser für jene eine wichtige Bestimmung gegeben hat, die ihr Wesen trifft: Sie sind »allgemeine Arbeit« des »general intellect« (noch einmal Marx).
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