2.500 zum Fünfundzwanzigsten!
Von Simon ZeiseWer eine marxistische Tageszeitung herausgibt, betritt die Arena des Klassenkampfs. »Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken«, schrieben Karl Marx und Friedrich Engels in »Die deutsche Ideologie«. Um ihre Macht zu sichern, leistet sich die bürgerliche Klasse eine ganze Armada von Zeitungen und Magazinen. Die Lohnabhängigen sollen gefügig gemacht werden – zum Diktat des Marktes soll es keine Alternative geben. Medienmacht ist konzentriert in den Händen weniger Oligarchen. Großflächige Anzeigen von Banken und Konzerne stellen seitenweise klar, wessen Interessen vertreten werden. Seriöse Recherche ist den meisten Medienhäusern nur noch ein lästiges Anhängsel. Einzig zählt, was sich schnell zu Geld machen lässt.
Die junge Welt stellt sich täglich gegen die Ökonomisierung der öffentlichen Meinung. Unabhängig von Partei- und Kapitalinteressen halten wir Kurs im Kampf gegen Sozialabbau, Rechtsruck und Krieg. Unser Erfolgsrezept ist Solidarität: Mehr als 2.200 Mitglieder der Genossenschaft LPG junge Welt eG sichern mittlerweile das Erscheinen der einzigen marxistischen Tageszeitung in der Bundesrepublik.
Und das ist auch bitter nötig. Denn Großkonzerne wie die Deutsche Post AG treiben die Preise für die Auslieferung und Zustellung in die Höhe. Rechtsanwälte drohen mit horrenden Strafen, falls kritische Berichterstattung über ihre Mandanten nicht eingestellt wird. Die Deutsche Bahn AG untersagt uns, an Bahnhöfen zu werben, weil der Inhalt zu »politisch« sei.
Doch das ist kein Grund, klein beizugeben. Schon vor 25 Jahren sollte die junge Welt eingestellt werden. Doch einem kleinen Team der Belegschaft gelang es, das Medienprojekt zu retten. Mit der LPG junge Welt eG und dem Verlag 8. Mai GmbH wurden Strukturen für die Zukunft geschaffen. Heute kann sich die junge Welt auf dem umkämpften Medienmarkt behaupten.
Genossenschaften sollen ein Gegenmodell zur kapitalistischen Produktionsweise bieten, da sie nicht nach der Erzielung von Profiten streben. Im Sozialismus dient das Modell der Vergesellschaftung der Produktion. Lenin forderte den Ausbau der Genossenschaften, »die wir früher geringschätzig als krämerhaft behandelt haben«, denen aber unter der Sowjetmacht eine völlig neue Bedeutung zugekommen sei und die den Übergang »zu neuen Zuständen« schaffen würden (siehe Seite 3). In Kuba wurde das Modell sogar in der Verfassung festgeschrieben. Der im April 2019 vom Parlament verabschiedete »Nationale Plan zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bis zum Jahr 2030« empfiehlt den Ausbau der Kooperativen und »verschiedener anderer Formen des Eigentums und des Wirtschaftens«. Im Zentrum steht aber immer die »Beibehaltung und Festigung der entscheidenden Rolle des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln« (siehe Seite 7).
Im Kapitalismus sind Genossenschaften hingegen den Bedingungen des Marktes unterworfen. Igenos e. V., die Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder, teilt ernüchtert fest: »Die als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnete Genossenschaftsidee hat (…) wenig mit der Realität zu tun«. Vielmehr sei die demokratische Selbstverwaltung, »also Genossenschaft von unten – systematisch abgeschafft« worden (siehe Seite 6). Ausgebaut wurde demgegenüber »ein autoritärer Führungsstil von oben«. Was außerdem gut funktioniere, sei »die Vernetzung mit der Politik und die Lobbyarbeit«. Dieser Entwicklung wollen wir entgegentreten. Wir blicken in dieser Beilage zurück auf eine bewegte Geschichte und starten eine neue Kampagne: Auf dass wir im Jubiläumsjahr 2.500 Genossinnen und Genossen werden. Den Geburtstag von LPG und Verlag wollen wir mit einer besonderen Veranstaltung feiern: Am 27. Juni findet die turnusmäßige Vollversammlung der Genossenschaft in der Kulturbrauerei in Berlin statt. Anschließend planen wir ebenfalls dort eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Zeitungsbranche und ein Konzert.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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