Keiner will mit Dosen spielen
Von Oliver RastSie sind durchsetzungsfähig, wirken auf Sport- und Vereinspolitik ein: aktive Fans. Jüngstes Beispiel: Freundschaftsspiele gegen den Brauseklub aus einem Leipziger Vorort. Denn die agile Anhängerschar zahlreicher Klubs hat null Bock auf Kicks gegen »El Dosico«; der BRD-Filiale aus dem österreichischen Plörre-Imperium des verstorbenen Dietrich Markwart Eberhart »Didi« Mateschitz. Etwa die vom FC Rot-Weiß Erfurt, SV Babelsberg 03 und dem FC Erzgebirge Aue, besser bekannt als Wismut Aue.
Den neuerlichen Protestauftakt machten die Erfurter Ultras. Das Aktiv »Erfordia« polterte kräftig nach der Bekanntgabe eines Testmatches ihres Teams auf dem Trainingsgelände am Cottaweg in Leipzig gegen die örtlichen Rasenballer. Die Vorwürfe der Fans sind geharnischt, eingängig auch: Der Klub aus dem Red-Bull-Konglomerat sei Symbol des Kommerzfußballs, Supporter in der Kurve »künstlich«, ein Ergebnis »aggressiver Marketingstrategien«. Aber auch die RWE-Spitze bekommt ihr Fett weg. Die Identität des Thüringer Traditionsvereins stünde auf dem Spiel, sportliche Vorteile und finanzielle Erträge bei einem Kick mit RBL seien vorgeschoben. Ultras forderten ihre Vereinsführung auf, den Spieltermin abzusagen. Andernfalls kündigten sie weiteren Protest – und einen Boykott – an. Jegliche Zusammenarbeit mit dem Verein würde ausgesetzt. Eine Drohkulisse mit Wirkung, das Spiel wurde seitens der Klubbosse Ende Juni abgesagt.
Eine erzwungene Absage offenbar mit Vorbildfunktion. Nulldreier und Auer legten nach. Die »Nordkurve« und der »Ostblock Babelsberg« aus der brandenburgischen Landeshauptstadt präsentierten Anfang Juli gar einen (holprigen) Sinnspruch: »Wenn du glaubst, dass Sommerpause wär – kommt der Verein mit der dümmlichsten Testspielidee gegen RB Leipzig daher.« Teilhabe, Solidarität und Nachhaltigkeit spielten in einer von Vereinen wie RB Leipzig geprägten Fußballkultur keine Rolle, überhaupt keine.
Und besonders kritikwürdig: Das Gebolze hätte gar nicht öffentlich werden sollen, quasi inkognito. Aktive Fans wurden informell über das Spiel informiert. »Soll das Babelsberger (Vereins-)Demokratie sein?«, fragen die Kurvengänger ob des Hinterzimmerdeals empört.
Ähnlich die Situation im tiefen Talkessel der Zwickauer Mulde, in Aue. Die Botschaft organisierter Fans gleichfalls klar: »Rumpelverein statt Kumpelverein! Kein Testspiel gegen Red Bull Leipzig.« Wenige Stunden vor der Ankündigung der Begegnung hätten die Vereinschefs der »Veilchen« noch »big« auf Klubgeschichte gemacht. Mit einem »internationalen Nachholspiel im Europapokal der Landesmeister« gegen Glenavon FC, dem nordirischen Fußballverein aus Lurgan. Denn knapp 64 Jahre zuvor, 1960: Die britische Regierung verweigerte den Fußballartisten des damaligen DDR-Meisters SC Wismut Karl-Marx-Stadt das Visum. Wegen des »Kalten Krieges«.
Im völligen Gegensatz zu derlei Tradition stehe jedes »freundschaftliche« Aufeinandertreffen mit RB. »Sollte das Testspiel nicht abgesagt werden, wird es keine Zusammenarbeit mehr mit und für den Verein/Fanshop geben«, hieß es seitens der »Erzbrigade und Block P«. Mehr noch, Absprachen hinsichtlich geplanter Choreographien oder weiterer Aktionen würden nicht mehr gemacht. Weil: »Wir sind keine Bittsteller, die nur dann einbezogen werden, wenn es euch passt!« Rums.
Interessant: Vereinsverantwortliche suchten den Streit mit der eigenen Fanklientel, wollten am geplanten Testspiel festhalten. Mieden aber den offenen Konflikt, hüllten sich in Schweigen, ob, wann und wo das Match stattgefunden hat.
Fanmacht, durchsetzungswillig und -fähig, die einzelne Medien zu besorgen scheint. »Wie viel Einfluss dürfen Ultras auf ihren Verein ausüben?«, hatte der MDR kürzlich geschlagzeilt.
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