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Aus: Krieg und Frieden, Beilage der jW vom 28.08.2024
Krieg und Frieden

Weltordnung im Wandel

Das US-Imperium forciert die gewaltsame Konfrontation mit aufstrebenden Ländern des Südens. Berlin steht fest an der Seite Washingtons
Von Marc Bebenroth und Karim Natour
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Mit Gewalt gegen den Niedergang: Das US-Imperium verliert seine Dominanz und droht mit Eskalation (Teheran, 14.10.2023) Diese Beilage ist überwiegend mit Szenen aus dem Gazastreifen bebildert

»Kein schwierigerer Vormarsch als der zurück zur Vernunft!«

Bert Brecht (Gedichte aus dem Messingkauf, 1955)

Deutschland muss wieder »kriegstüchtig« sein. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat damit im Juni offen verkündet, worauf Militärs, Rüstungslobbyisten und Bellizisten aller Art seit Jahren emsig hinarbeiten. Endlich wieder Großmacht sein, auch militärisch. Anders ließe sich, so die Kriegslüge, der Status quo nicht verteidigen und »der Russe« nicht abschrecken. Zur Bewahrung der »freiheitlichen Demokratie« vor »autokratischen Regimes« muss offenbar auch im Innern unliebsamer Widerspruch gegen den Aufrüstungskurs eingehegt werden.

Kanonen statt Butter: Auf diese Losung schrumpft der Konsens von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sowie CDU/CSU zusammen. Für den nächsten großen Krieg kann nicht tief genug in die Staatskasse gegriffen werden; notfalls vergibt Pistorius’ Ministerium auch Aufträge mit ungedeckten Checks. Hauptsache, die Rüstungsprofiteure haben volle Auftragsbücher. Derweil schmelzen den Normalsterblichen die Reallöhne dahin.

Global ist die Tendenz ebenfalls eindeutig. Die weltweiten Militärausgaben sind auf einem Höchststand. Das nukleare Arsenal wächst. Welche verheerenden Auswirkungen Krieg und Kriegsvorbereitung auf das globale Ökosystem haben, beschreibt Wolfgang Pomrehn in dieser Beilage. Dass natürlicher Reichtum wie Bodenschätze für Länder der Peripherie im Kapitalismus schnell zum Verhängnis werden kann, erklärt Tim Krüger anhand des Rohstoffkriegs im Kongo, der trotz hoher Opferzahlen medial wenig im Fokus steht. Wie sogenannte künstliche Intelligenz und andere Spitzentechnologien die Kriege der Zukunft verändern sollen, damit noch effizienter getötet werden kann, diskutiert Christian Heck. Dass die USA angesichts des eigenen Hegemonieverlusts die NATO mehr und mehr in eine (kriegerische Großkonfrontation) mit China treiben, zeigt Jörg Kronauer auf.

Der NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland hat bereits Zehntausenden Ukrainern und Russen das Leben gekostet. Die transatlantische Partnerschaft wertet Berlin dabei zuweilen höher als die Interessen des deutschen Monopolkapitals, wie Lucas Zeise erläutert. Die Regierungen im globalen Süden sind aber nicht mehr länger bereit, sich dem Diktat des Nordens zu beugen. Die Parteinahme für die Ukraine hat sich in Grenzen gehalten. Durch verstärkte Kooperation untereinander versuchen die Länder des Südens, auf die globalen Spielregeln der Macht Einfluss zu nehmen, wie John P. Neelsen und Vijay Prashad jeweils aufzeigen.

In den Augen des globalen Südens dürften die westlichen imperialistischen Staaten mit ihrer skrupellosen Unterstützung Israels spätestens seit dem 7. Oktober 2023 den letzten Rest an diplomatischer oder gar moralischer Autorität verspielt haben. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verübt nachweislich mit US-amerikanischen Bomben und deutscher Rückendeckung den wohl ersten live übertragenen Völkermord der Geschichte. Gemessen am Prozentsatz der getöteten Bevölkerung des Gazastreifens gehört der Konflikt bereits jetzt zu den tödlichsten des 21. Jahrhunderts. Im Namen des Kampfs gegen »Terroristen« werden dort – wie in früheren Kolonialkriegen – tatsächlich überproportional Zivilisten ermordet.

Da knapp die Hälfte der mehr als zwei Millionen Bewohner minderjährig ist, ist Gaza vom größten Freiluftgefängnis der Welt zu einem Massengrab für Kinder geworden. Der blutigen Rache des israelischen Militärs für den Angriff der Hamas vom 7. Oktober fielen bisher mehr als 17.000 Minderjährige zum Opfer. Den Kindern Gazas, die ihr Leben lang keine Freiheit gekannt haben, täglich unvorstellbares Leid erleiden und, sofern sie überleben, für immer an den Folgen dieses Blutvergießens leiden werden, ist diese Beilage gewidmet.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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