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Aus: 75 Jahre DDR, Beilage der jW vom 02.10.2024
DDR 75

»Sozialisten« mit CIA-Codenamen

Reichlich Fördermittel: Antikommunistische Frontorganisationen in der Bundesrepublik im Kampf gegen den »inneren Feind« und die junge DDR
Von Michael Klein
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Es blieb nicht bei Luftballons: Propaganda­aktion von Antikommunisten in Berlin (Sommer 1950)

Kaum war die DDR gegründet, intensivierte sich der innerdeutsche Kalte Krieg. Antikommunistische Frontorganisationen kämpften gegen den inneren Feind in der Bundesrepublik und gegen die DDR. Das Ziel der US-Politik war es, das Potential der Bundesrepublik in die wirtschaftlichen und militärischen Strukturen des Westens zu integrieren. Ab Ende 1950 wurde dieses Ziel auch von Großbritannien und Frankreich geteilt. So sollte die Gefahr entschärft werden, die von einem neuerlich erstarkten Deutschland ausgehen könnte, und gleichzeitig die Front gegen die Sowjetunion und ihre Einflusssphäre gefestigt werden.

Die Umsetzung dieser Politik, die als »Strategie der doppelten Eindämmung« (Dual containment) bekannt ist, sollte von einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden – das empfahlen Arbeitsgruppen beim High Commissioner for Germany (HICOG), dem amerikanischen Vertreter in der zivilen Alliierten Hohen Kommission, die in Westdeutschland die Militärverwaltung abgelöst hatte. Vor allem Deutsche gelte es zu motivieren, für diese Politik zu werben. Als erste Maßnahme boten US-Stellen für politische Projekte Fördermittel in erheblichem Umfang, etwa für Publikationen, Jugendbegegnungen, Vorträge und Konferenzen. Im Prinzip konnte jeder einen Antrag auf einen Zuschuss einreichen. Einzige Bedingung: Das Projekt musste eine antisowjetische Färbung haben. Auch das Ostbüro der SPD und selbst linkssozialistische Gruppen durften für antistalinistische Schriften und Untergrundarbeit in der DDR mit einer Vergütung rechnen.

Bei bereits bestehenden antikommunistischen Organisationen erhöhten die USA ihren Anteil an der Finanzierung. So geschehen beim Volksbund für Frieden und Freiheit, beim Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen und bei der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit. Was aber geschah, wenn es für ein bestimmtes Vorhaben noch keine Organisation gab, mit der man eine strategische Partnerschaft hätte schließen können? Hier klinkten sich die US-Nachrichtendienste ein und stellten finanzielle Ressourcen für Neugründungen zur Verfügung. Beim obligatorischen »Coaching« sorgten die Geheimdienste dann dafür, dass sich die »Startups« nicht nur mit Propaganda beschäftigten. Vielmehr hatten sie darüber hinaus gegen innenpolitische Widersacher zu Felde zu ziehen sowie Feindaufklärung zu betreiben. Zivile US-Stellen wie der HICOG hatten in diesen Fällen kein Mitspracherecht.

Zu den verdeckten Gründungen der Geheimdienste zählten Organisationen, die Anfang der 1950er Jahre in Deutschland viel Staub aufwirbelten. Da war zum Beispiel die Gemeinschaft Demokratischer Sozialisten (GDS). Seit 1949 trat unter Losungen von August Bebel eine linke Gruppe für eine Aktionseinheit mit der SED und KPD ein. Diese Sozialdemokratische Aktion (SDA, später: Sozialistische Ak­tion) galt als eine kommunistische Tarnorganisation. Wer mitmachte, verlor sein SPD-Parteibuch sowie eine etwaige Anstellung im öffentlichen Dienst. Als einige SDA-Funktionäre mit der unbedingten SED-Loyalität der SDA haderten, bekamen US-Geheimdienstler davon Wind. Sie schlugen ihnen bei einem Treff Anfang 1951 vor, in der SDA zu verbleiben und bei einer günstigen Gelegenheit eine Palastrevolution anzuzetteln. Im Juni 1951 gelang es der Opposition, in einer Vorstandssitzung den Verband zu kapern und in Gemeinschaft Demokratischer Sozialisten (CIA-Code­name LCBALSA/S) umzutaufen.

Die unterlegenen SED-Sympathisanten konstituierten die Sozialdemokratische Aktion flugs neu. Die Folge: Nun hatte sich die SPD mit gleich zwei Oppositionsgruppen herumzuschlagen, die eine unterstützt von der SED, die andere von der CIA. Darüber wurde durchaus offen gesprochen. Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer schimpfte am 17. Oktober 1952 im Neuen Vorwärts, dass die GDS jeden Monat 30.000 Mark von US-amerikanischen Stellen kassiere, »um neben antikommunistischer Propaganda auch die Sozialdemokratische Partei zu infiltrieren und zu zersetzen«. Aufs Jahr gesehen betrug das Budget der GDS nach heutiger Kaufkraft fast eine Million Euro. Als die CIA Ende 1952 auf Drängen der SPD die Finanzierung stoppte, ging die GDS prompt in die Insolvenz.

Sehr früh schon versuchte der amerikanische Dienst auch, Verfolgte des Naziregimes unter seinen Einfluss zu bekommen. Anfang 1950 verließen konservative Mitglieder die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), um den BVN ins Leben zu rufen (CIA-Codename LCSTART). Initiatoren und Finanziers der Abspaltung waren Christdemokraten, die Bundesregierung sowie amerikanische Dienste. Weil der BVN konsequent der Politik Adenauers folgte, dehnte die SPD ihren VVN-Unvereinbarkeitsbeschluss auch auf den BVN aus. Ab 1953 haben die USA ihre Subventionen reduziert; die Bundesregierung wurde gebeten, den Ausfall zu kompensieren.

Mit US-Geldern ausgestattet, gründete eine Handvoll abtrünniger westdeutscher FDJler am 21. Januar 1952 in Heidelberg den Jugendverband Unabhängige FDJ. Sinn und Zweck: Überbleibseln der bereits verbotenen Freien Deutschen Jugend den Garaus machen. Der Einfluss der kurzlebigen UFDJ in der antikommunistischen Bewegung blieb jedoch schon deshalb begrenzt, weil ihr harter Kern laut CIA-Dokumenten aus ganzen 25 Leuten bestand. Die UFDJ half beim Sprengen von KPD-nahen Veranstaltungen und vor allem bei der Erhebung und Weitergabe der Personalien von »Wegbereitern des Stalinismus«. So sahen sich Teilnehmer eines illegalen FDJ-Treffs in Hamburg im Mai 1952 anschließend mit Namen und Anschrift in den »Nachrichten des Befreiungskomitees für die Opfer totalitärer Willkür« an den Pranger gestellt.

Ein komplexerer Fall ist das Befreiungskomitee für die Opfer totalitärer Willkür. Das Komitee (CIA-Codename LCBALSA/C) existierte von Herbst 1950 bis Ende 1952 unter der Leitung von Margarete Buber-Neumann, Autorin des Buches »Als Gefangene bei Stalin und Hitler«. Sie war 1935 mit dem KPD-Funktionär Heinz Neumann in die UdSSR emigriert. Er wurde hingerichtet und sie aus sowjetischer Lagerhaft ins Reich abgeschoben, wo sie nach Ravensbrück kam. Wichtige Tätigkeitsfelder des Komitees waren die Stimmungsmache gegen westdeutsche Sympathisanten von KPD und SED (»Quislinge«), vor allem aber das Sammeln von Informationen über Vorgänge in der DDR. Deshalb galt das Befreiungskomitee in West und Ost als ein verkappter Nachrichtendienst - wohl völlig zu Recht. Ab 1953 arbeitete das Berliner Büro für die Organisation Gehlen, den Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes.

Das Komitee war ein Sonderfall in dem Ensemble der antikommunistischen Organisationen, denn meist tummelten sich darin zwielichtige Figuren und Rechtsaußen. Im Komitee hingegen traf man auf die »Mitte« des Antikommunismus sowie auf einige Linke und Liberale. Buber-Neumann gehörte ein Firmengeflecht mit zig Festangestellten. Bei ihr dürften die Zuwendungen im höheren D-Mark-Millionenbereich gelegen haben.

Handfest ging es beim Stoßtrupp gegen bolschewistische Zersetzung zu. Der im April 1951 in Bayern aufgebaute Stoßtrupp (CIA-Codename LCBALSA/B) hatte offiziell den Auftrag, eine »kommunistische Infiltration« in neutralistischen und pazifistischen Zirkeln abzuwehren. Ab 1952 nahm der Stoßtrupp seinen Namen sehr wörtlich und fing an, Mitstreiter für einen paramilitärischen »Deutschen Heimatschutz« zu rekrutieren. Dass der Stoßtrupp neben Zahlungen der CIA auch aus Bundesmitteln Geld erhielt, führte im Umfeld der BdJ-Affäre zu erregten Debatten im bayerischen Landtag.

Kooperiert hat der Stoßtrupp mit dem Bund Deutscher Jugend (BdJ), einem im Juni 1950 von US-Diensten gegründeten Jugendverband (CIA-Codenamen ­KMPRUDE, LCPROWL, CADOST). Ab April 1951 machten sich US-Instrukteure und ehemalige Offiziere der Wehrmacht daran, einen militärischen Arm des BdJ zu formieren. Sie füllten Waffenlager und Munitionsdepots für den Ernstfall, und etwa 100 Mitglieder des BdJ durchliefen eine militärische Grundausbildung. Ermittlungsbehörden des SPD-regierten Bundeslandes Hessen griffen ein, und es kam zum wohl größten Skandal der frühen Bundesrepublik: »Aufdeckung einer Geheimorganisation in Hessen« war am 10. Oktober 1952 ein Tagesordnungspunkt in der Sitzung des Bundeskabinetts.

Um die Wogen zu glätten, sicherten die USA zu, die Alimentierung des BdJ einzustellen, das Gleiche sollte für Organisationen wie die GDS, das Befreiungskomitee und den Stoßtrupp gelten. Zudem wollte man die Förderungswürdigkeit weiterer Agenturen überdenken. Die BdJ-Führer wurden auf freien Fuß gesetzt und der BdJ auf dem Verwaltungsweg verboten. Ab 1953 begannen deutsche Institutionen die alleinige Aufsicht über die Agenturen des Kalten Krieges zu übernehmen. Ein Sonderfall war die Situation in der Vier-Mächte-Stadt Berlin, wo im Westen die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit bis zur Auflösung 1959 die Szene dominierte.

Michael Klein ist Historiker

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